Kusel

„Unvergessen“ – Zweiter Jahrestag der Polizistenmorde bei Kusel

Von Birgit Reichert, Wolfgang Jung (dpa)
Zweiter Jahrestag der Polizistenmorde bei Kusel
Ein mit Blumen und Schutzengeln geschmücktes Holzkreuz steht am Tatort, wo am 31. Januar 2022 ein Mann eine 24-jährige Polizeianwärterin und einen 29-jährigen Polizist erschossen hat, als sie bei einer nächtlichen Streife Wilderer stellen. Ein Holzkreuz und Blumen erinnern an die Tat. Foto: Harald Tittel/dpa

Der Mord an zwei Polizisten auf nächtlicher Streife bei Kusel hatte vor zwei Jahren bundesweit Entsetzen ausgelöst. Vor Ort ist die Tat noch gegenwärtig – und schmerzt nicht nur am Jahrestag.

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Es ist ein Ort voller Trauer und Schmerz. Weiße Schutzengel stehen zwischen Grablichtern, Blumen und Gestecken. Ein graues Kreuz trägt die Aufschrift „Geliebt und unvergessen“, zwei Stein-Herzen „Wir vermissen dich.“ Das Gedenken gilt zwei jungen Polizisten, die bei Kusel in der Westpfalz – nahe der jetzigen Trauerstätte – ermordet wurden. Am 31. Januar ist es zwei Jahre her, dass ein Wilderer die Beamten auf nächtlicher Streife an der abgelegenen Straße erschossen hat.

An dem Gedenkort, der liebevoll auf einem Parkplatz angelegt wurde, steht die Zeit still. Regelmäßig kommen Menschen vorbei: „Es sind immer frische Blumen da. Man sieht, dass das frequentiert und gepflegt wird“, sagt der Bürgermeister der Stadt Kusel, Jochen Hartloff (SPD). Am Tatort selbst erinnert ein Holzkreuz an das schreckliche Verbrechen. „Wenn man hier vorbei fährt, begleitet das einen immer. Man weiß, hier war das“, sagt Hartloff.

Was geschah im Januar 2022?

Rückblick 31. Januar 2022: Den Polizisten war gegen 4 Uhr morgens ein geparkter Kastenwagen verdächtig vorgekommen, im Laderaum entdeckten sie mehr als 20 gewilderte Hirsche und Rehe. Sie wollten den Wilderer stellen: Wenige Minuten später waren die Polizeianwärterin (24) und der Polizeikommissar (29) tot.

Per Kopfschüssen getötet von einem heute 40-Jährigen, der mit der Tat die gewerbsmäßige Jagdwilderei verdecken wollte, hieß es im Urteil des Landgerichts Kaiserslautern im November 2022. Der Saarländer wurde wegen zweifachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Zudem stellte das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest. Damit gilt eine Entlassung des Mannes nach 15 Haftjahren als ausgeschlossen. Das Urteil ist seit Sommer 2023 rechtskräftig.

Tat ist im kollektiven Gedächtnis

Der Doppelmord an den Polizisten sei bei den Bürgern in Kusel noch präsent: „Das ist etwas, das im kollektiven Gedächtnis ist“, sagt der Bürgermeister. Durch „die schnellen und eindeutigen Entscheidungen der Gerichte“ sei aber mittlerweile „auch ein bisschen Ruhe“ eingekehrt. „Das macht die Tat nicht ungeschehen, sie behält ihre schrecklichen Dimensionen, aber man sieht, der Staat hat agiert und hat auch vernünftig agiert“, sagt Hartloff.

«Wir denken täglich an sie»: Jahrestag zum Polizistenmorden
Der Stadtbürgermeister von Kusel, Jochen Hartloff (SPD) steht in seinem Büro des Rathauses.
Foto: Harald Tittel/picture alliance/dpa

Bei der Polizei in der Westpfalz wird es keine offizielle Veranstaltung zum Jahrestag geben. „Geplant ist, dass die Behördenleitung die beiden Gräber besucht. Ansonsten wird es ein eher stilles Gedenken. Es kann sein, dass man zusammenrückt und eine Kerze anzündet oder in einer Gedenkminute verharrt“, sagt ein Sprecher.

Jeder gehe mit Trauer anders um und werde den Tag so begehen, wie es für ihn passend sei. „Natürlich wird man im Alltag noch darauf angesprochen.“ Intern sei der damalige Einsatz professionell nachbereitet worden, sagt der Sprecher. „Das ist abgeschlossen und wird jetzt landesweit auf Führungsebene sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorgestellt.“

Bei Polizistinnen und Polizisten präsent

Nach Ansicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Rheinland-Pfalz treibt das schreckliche Verbrechen Polizisten immer noch um. „Es taucht in Gesprächen immer wieder auf“, sagt die Landesvorsitzende Stefanie Loth. Sie gehe davon aus, dass es auch in psychologischen Beratungen nach wie vor „Redebedarf“ gebe. „Aber ich vermute, dass der mit der Zeit auch ein bisschen zurückgeht.“

Zweiter Jahrestag der Polizistenmorde bei Kusel
Ein Kreuz, Blumen, Gestecke, Schutzengel und eine Gedenktafel stehen an der Trauerstätte auf einem Parkplatz nahe des Tatorts, wo am 31. Januar 2022 ein Mann eine 24-jährige Polizeianwärterin und einen 29-jährigen Polizist erschossen hat. Ein Holzkreuz und Blumen erinnern an die Tat.
Foto: Harald Tittel/dpa

Wenn es aber darum gehe, wie sich Polizisten besser gegen Angriffe sichern könnten, sei die Tat von Kusel präsent. „Bei Fragen der technischen Ausstattung, beim Training und bei dem Bewusstsein, das man im Dienst hat – da kommt das immer wieder vor“, sagt Loth.

Fakt sei, dass Angriffe auf Polizisten in Rheinland-Pfalz – verbal und tätlich – zugenommen hätten. In 2022 sei die Zahl der Taten insgesamt im Vergleich zum Vorjahr um knapp 28 Prozent gestiegen. Es habe insgesamt 7243 geschädigte Polizeibeamte gegeben. Wegen des Corona-Effekts sei der Anstieg möglicherweise höher ausgefallen als sonst. „Aber der Trend geht schon länger nach oben.“

Die Nutzung von Bodycams auf Polizeieinsätze in Wohnungen auszuweiten – das findet Loth gut und beschreibt, dass dies eine wichtige Forderung der GdP war und ist. „Der Bodycam wird eine deeskalierende Wirkung zugeschrieben. Das klappt nicht in 100 Prozent der Fälle, aber es klappt.“ Ansonsten könne es für Polizisten kaum mehr Unterstützung durch Gerätschaften geben. „Es passt kaum noch was an den Gürtel“, sagt sie mit Blick auf Waffe, Schlagstock und Taser.

Polizistenmörder kommt noch mal vor Gericht

In einem anderen Prozess wird sich der Polizistenmörder wegen Jagdwilderei und versuchter gefährlicher Körperverletzung nochmal verantworten müssen. Im März 2023 war er am Amtsgericht Neunkirchen in der Sache freigesprochen worden. Da die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt hat, kommt das Verfahren vor das Landgericht Saarbrücken. Ein Termin stehe noch nicht fest, sagt der Sprecher des Landgerichts.

Darüber hinaus gebe es bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken keine weiteren Ermittlungsverfahren wegen Jagdwilderei oder Verstößen gegen das Waffengesetz gegen den Mann mehr, sagt der Sprecher. Sie seien eingestellt worden, weil sie verjährte Vorwürfe zum Gegenstand hatten oder weil sie mit Blick auf die Verurteilung in Kaiserslautern ohne Folgen für die zu verbüßende Strafe gewesen wären.