RZ-Kommentar: Die Autofahrer zahlen genug, aber ihr Geld versickert

Von Joachim Türk

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Manchmal kriechen Themen aus den Tiefen des Sommerlochs unerwartet weit nach oben. Aber so weit wie im Sommer 2011 hat es die Pkw-Maut noch nie geschafft. Jetzt wird sogar darüber diskutiert, wie man die Einnahmeausfälle ausgleichen könnte, die auftreten, wenn gar keine Maut beschlossen wird. Klingt nach Theater? Ist es auch.

„Es gibt keine Pkw-Maut“, sagt die Kanzlerin. „Nicht in dieser Legislaturperiode“, verspricht CDU-Fraktionschef Volker Kauder. Damit sollte die Diskussion beendet sein. Aber die CSU gibt keine Ruhe. Weil sie den Verkehrsminister stellt und steuert, weil sie dringend ein Profil und ein Thema braucht, das die Menschen daheim in Bayern bewegt. Und weil sie die FDP ärgern will.

Kein Zweifel: Zu viele Straßen und Brücken in Deutschland sind in einem beklagenswerten Zustand – vor allem im Westen, wo die Schlaglöcher noch ein bisschen tiefer, die Brücken noch brüchiger sind als im Osten. Dem gesamtdeutschen Flickwerk mangelt es aber nicht an Geld. Über den Spritpreis, die Kfz-Steuer und die Lkw-Maut bezahlen die Fahrer jedes Jahr mehr als 50 Milliarden Euro in die Staatskasse. Für den Straßenbau ausgegeben werden aber nur 17 Milliarden – und zwar von allen sogenannten Straßenbaulastträgern zusammen, also von Bund, Ländern, Kreisen und Gemeinden. Da wäre noch Luft nach oben – wenn das Geld der Autofahrer nicht an ganz anderer Stelle versickern würde.

Das soll mit den neuen Einnahmen ganz anders werden – ehrlich, versprechen die Mautmacher. Aber wir ballen die Faust in der Tasche: „Allein, mir fehlt der Glaube.“. Zweifel sind angebracht – es hat ja auch bisher nicht funktioniert. Zudem kommt hin und wieder unaufmerksamen Politikern ein Wort über die Lippen, das sie bei neuen Belastungen ungern in den Mund nehmen: „zusätzlich“. Bedeutet: Wenn die Einnahmen aus einer Pkw-Maut, am liebsten so um die 4 Milliarden Euro im Jahr, „zusätzlich“ fließen, dann werden sie angeblich auch nur für den Straßenbau ausgegeben. Aber „zusätzlich“ ist undenkbar, wenn es ehrlich kommuniziert wird. Keine Chance. Vorerst. Bis der in Schulden ertrinkende Staat auch nach diesem Benzinschlauch greifen muss.

Ob eine höhere Mineralölsteuer mehr Chancen hätte, wie sie die FDP kurz ins Gespräch gebracht und dann wieder weggeröslert hat? Nehmen wir mal für einen Augenblick und wider besseres Wissen an, es würde wirklich ein Nullsummenspiel: Kfz-Steuer runter, Mineralölsteuer rauf. Dann hat diese Lösung sogar Charme, weil am Ende diejenigen mehr bezahlen, die mehr unterwegs sind (und damit Straßen und Brücken stärker belasten). Und weil die Autofahrer einen im Geldbeutel spürbaren Grund hätten, sparsam zu fahren. Es wäre ein politischer Gestaltungswille erkennbar – der Wille, die Abhängigkeit vom Erdöl zu verringern und die Umwelt zu schonen.

Warum die höhere Steuer trotzdem vom Tisch ist? Weil sie nicht nur einmal im Jahr beim Kauf der Maut-Vignette spürbar ist, sondern die Menschen Tag für Tag an der Tankstelle ärgert – beim Blick auf die Preistafeln und auf den Zapfsäulenaufkleber, der den enormen Steueranteil am Spritpreis zeigt, der dann bei knapp 1 Euro liegen dürfte.

Die ganze Diskussion wird also dahin verschwinden, wo so unausgegorene Debatten hingehören: zurück ins Sommerloch. Aber die Pkw-Maut ist zäh, und die Begierden der Kassenwarte wachsen. Sie kommt zurück, spätestens nach der nächsten Bundestagswahl. Munterer denn je. Wetten?

E-Mail an den Autor: joachim.tuerk@rhein-zeitung.net