Deidesheim/Mainz

Flughafen-Verkauf: Hahnenkampf im Hunsrück

Rund um die Sondersitzung des Landtags beschäftigt die politischen Kreise in Mainz neben vielen chinesischen Schrift- und Fragezeichen vor allem ein deutscher Name: Englert. Prof. Dr. Siegfried Englert aus Westhofen ist nicht nur Sinologe und Begründer des Ostasien-Instituts in Ludwigshafen, sondern auch derjenige, dessen Name in Hinterzimmergesprächen am häufigsten fällt. Für die einen ist er der leuchtende Hoffnungsträger in düsterer Zeit, für die anderen eine nebulöse Schattenfigur.

Lesezeit: 4 Minuten
Anzeige

Von unserem Chefreporter Volker Boch

Selbst ernannte Experten sollten einfach den Mund halten

„Es wird zu viel gequatscht“, sagt Englert zum Hahn, auch mit Blick auf die Gerüchte um seine Rolle. „Die selbst ernannten Experten sollten einfach nur den Mund halten.“ Dem Hahn drohe schließlich die Insolvenz. „Ich kenne die Kassenlage nicht, aber das Geld schmilzt jeden Tag wie der Schnee in der Sonne.“ Englert zufolge ist es fraglich, ob ein kleinerer Investor überhaupt die Startphase am Hahn überstehen würde. „Das Hauptproblem ist die Vorlaufzeit, bis Umsätze erlöst werden“, sagt Englert, „das dauert ein halbes Jahr. Das übersteht weder eine kleine Firma noch der Hahn.“ Nach seiner Lesart kann dies nur auf einen Bieter hindeuten. Es dürfte das von ihm mitgetragene Unternehmen ADC im Schulterschluss mit dem chinesischen Mischkonzern HNA sein.

Um den Zusammenhang verstehen zu können, ist eine Rückblende nötig. Vor einigen Monaten lief das Bieterverfahren zum Hahn auf Hochtouren, drei mögliche Investoren waren im engeren Kreis. Der Bieter mit dem höchsten Gebot war die Shanghai Yiqian Trading (SYT), Rang zwei belegte ein US-amerikanisch-chinesisches Bieterkonsortium, Platz drei die ADC Group mit Sitz in Deidesheim. Letztere ist als einziger Interessent während der Verkaufsphase an die Öffentlichkeit gegangen. Ihr Sprecher: Siegfried Englert. Der heute 68-Jährige war von 2006 bis 2011 Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, hat ein SPD-Parteibuch und ist ein ausgewiesener China-Experte.

ADC-Geschäftsführer Siegfried Englert
ADC-Geschäftsführer Siegfried Englert
Foto: Ministerium
Englert hat mit vier chinesischen Partnern die Geschäftsführung der im August 2014 gegründeten ADC Group inne, die sich vor allem dem Zweck der Immobilienentwicklung und Industrieparkentwicklung verschrieben hat. Mit einer Einlage von 10 Millionen Euro ist die ADC liquide genug, um ihr Angebot für den Hahn aus dem Kassenbestand heraus zu finanzieren. Zudem ist das Betriebsergebnis der ADC positiv. Im Geschäftsjahr 2015 erwirtschaftete die ADC einen Überschuss von gut 33 000 Euro.

Das Angebot, das Englert mit der ADC für den Hahn vorgelegt hat, belief sich auf einen Kaufpreis von 1 Euro plus den Kassenbestand der Flughafengesellschaft. Wie Englert heute sagt, seien dies zum Zeitpunkt des Angebots circa 7 Millionen Euro gewesen. Heute sagt er: „Wir bieten nicht mehr.“

Das wichtigste Pfund der Offerte ist jedoch nicht die nachgewiesene Liquidität der ADC, die wohl hauptsächlich von chinesischen Investoren getragen wird, sondern die HNA Group. Dieses 180 000 Mitarbeiter starke chinesische Unternehmen hat sich auf die Branchen Luftfahrt und Tourismus spezialisiert.

Lange galt die „Englert-Gruppe“ als aussichtsreichster Bieter für den Hahn. „Im März haben wir von der KPMG das Signal bekommen, dass es einen höheren Bieter gibt“, sagt Englert im Gespräch mit unserer Zeitung. Es ist ein kurzes Telefonat, der frühere Staatssekretär wird nach einigen Minuten zu einem Termin müssen.

Englert, das ist deutlich zu spüren, steht derzeit mitten in neu boomenden Verhandlungen. Im März sah dies noch ganz anders aus. „Wir haben damals mit einer noch größeren Firma an einem Businessplan gearbeitet“, erinnert sich Englert. Er wollte mit der ADC auf den Hahn, aber er scheiterte an SYT.

Englert kennt die Situation in China, die Unternehmen und ihre Strukturen sehr genau. Auf die Frage nach der Yangtze River Express, die von SYT als Partner angeführt worden war, reagiert er mit der knappen Aussage, dass es sich dabei um ein kleines Unternehmen handelt, eine Tochter der HNA.

Ein Gerücht, das sehr schnell verstummte

Wenn am Hahn die Sprache auf Yangtze River Express kommt, fallen die Meinungen und Emotionen unterschiedlich aus. Denn bereits am Tag der Präsentation von SYT am Hahn gab es verschiedene Aussagen. Bei einer Betriebsversammlung verkündete SYT den Mitarbeitern vollmundig, dass Yangtze definitiv zurückkehrt an den Hahn – dies sorgte für Jubel. Eine Stunde später war von einem Comeback des Frachters im Rahmen der Präsentation der SYT vor der Presse nur noch abgeschwächt die Rede. Wenig später war von Yangtze als Geldgeber und starkem Partner der SYT gar nichts mehr zu hören.

In Mainz wird nun darüber spekuliert, ob Englert als Strippenzieher dank seiner engen Kontakte zur Muttergesellschaft HNA dafür gesorgt haben könnte, dass Yangtze abgezogen wird aus dem Planspiel Hahn. Denn dies nahm dem Kontrakt zwischen dem Land und SYT wohl die geschäftliche Grundlage.

Englert sagt dazu auf eine konkrete Anfrage unserer Zeitung: „Wir haben mit Yangtze nie gesprochen, das haben wir auch nicht nötig. Wir reden mit HNA.“ Es ist unklar, was dies bedeutet.

Klar ist, dass trotz des bereits im März feststehenden Aus für die ADC im Bieterverfahren zwischen der ADC und der HNA noch im Mai ein Vertrag geschlossen wurde. Wie Englert erklärt, vereinbarte die ADC am 10. Mai mit den HNA-Vorständen Infrastruktur und Flughäfen eine Zusammenarbeit – mit der konkreten Stoßrichtung Hahn. Wussten die entscheidenden Personen damals bereits, dass die SYT als Meistbietender am Hahn bald aus dem Rennen sein würde?

Abzug von Yangtze könnte einen lachenden Dritten hervorbringen

Den Abzug von Yangtze aus dem Hunsrück kann Englert inhaltlich erklären. Der Hauptkunde des chinesischen Unternehmens sei schließlich der Logistiker DHL, und dieser habe aufgrund seiner Kundenstruktur mit einer starken Massierung in Italien um die Ansiedlung am Flughafen München gebeten. Dem Wunsch seines Kunden sei Yangtze nachgekommen.

Englert könnte nun der große Gewinner am Hahn sein. Er sagt klar: „Wir brauchen Profis und Umsatz am Hahn.“ Ein solcher Experte wurde in den vergangenen Tagen bereits im Hunsrück gesichtet. Christoph Goetzmann, von April 2013 bis Ende 2015 Vertriebsleiter am Hahn, sprach als Berater der HNA mit ortsansässigen Firmen. Der 47-Jährige könnte zu einer Schlüsselfigur in einem möglichen neuen Bieterverfahren werden.

Englert sagt, dass Fracht- und Passagierzahlen am Hahn steigen müssen. Dies wiederum spricht dafür, dass der Flughafen einen straffen Businessplan benötigt, um flügge zu werden. Und an diesem arbeitet Englert mit seinen Partnern ebenso wie an einem Flugplan. Er hat nicht ohne Grund zuletzt an Innenminister Roger Lewentz geschrieben mit dem Signal, dass weiter Interesse besteht, den Hahn zu kaufen. Die Frage ist nur, ob dies von langer Hand vorbereitet wurde oder nach dem Drama um SYT ein Gebot der Stunde war.