Düsseldorf/Koblenz

Spionage im Koblenzer Beschaffungsamt? Umfeld des AfD-nahen Offiziers aus dem Hunsrück war völlig überrascht

Von Frank Christiansen
Spionageprozess gegen Berufssoldat in Düsseldorf
Ein Bild vom Prozessauftakt in Düsseldorf: Der deutsche Berufssoldat muss sich als mutmaßlicher Spion Russlands vor dem Oberlandesgericht verantworten. Foto: Oliver Berg/dpa

Er war „mit Leib und Seele Offizier“ – das sagt ein Kollege über den Hunsrücker Bundeswehr-Hauptmann, der gestanden hat, brisantes Material aus seiner Tätigkeit beim BAAINBw in Koblenz an die Russen geliefert zu haben. Wie kam es dazu? Das gibt auch seinem engsten Umfeld Rätsel auf. Jetzt hat seine Lebensgefährtin vor Gericht ausgesagt.

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Sein Geständnis, brisante Informationen des Koblenzer Bundeswehr-Beschaffungsamts an die Russen verraten zu haben, hat im Umfeld des Hunsrücker Hauptmanns für große Überraschung gesorgt. Der AfD-nahe Bundeswehr-Offizier wurde im August 2023 in Koblenz festgenommen, sein Haus in einem Ort im Rhein-Hunsrück-Kreis wurde durchsucht (wir berichteten). „Bis letzte Woche dachte ich, er ist unschuldig. Als ich dann gelesen habe, dass er gestanden hat, ist mir einiges aus dem Gesicht gefallen“, sagte jetzt die Lebensgefährtin des Mannes als Zeugin im Düsseldorfer Oberlandesgericht aus.

Sie führte die Tat auf die schlechte psychische Verfassung ihres Lebensgefährten zurück. Über Politik habe sie mit ihrem Mann nicht gesprochen, aber schon mitbekommen, dass er die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen habe, etwa wenn in den Nachrichten etwas zur deutschen Außenpolitik im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg kam. Die deutsche Politik habe ihm nicht gefallen, sagte sie.

Spionageprozess gegen Berufssoldat in Düsseldorf
Ein Bild vom Prozessauftakt in Düsseldorf: Der deutsche Berufssoldat muss sich als mutmaßlicher Spion Russlands vor dem Oberlandesgericht verantworten.
Foto: Oliver Berg/dpa

Der Offizier der Bundeswehr hatte gestanden, sich Russland mehrfach mit militärischen Informationen als Spion angedient zu haben. Etwa im gleichen Zeitraum habe er Kontakt zur Koblenzer AfD aufgenommen und seine Mitgliedschaft beantragt. Nach Angaben des Gerichts wurde er im Juli 2023 AfD-Mitglied.

Prorussischem Influencer auf TikTok gefolgt

Eine Nachricht, „vermutlich auf TikTok“, habe bei ihm den Impuls ausgelöst, sich im Mai 2023 an das russische Konsulat zu wenden. Der Hunsrücker räumte ein, damals bei TikTok einem prorussischen, AfD-nahen Influencer gefolgt zu sein. Er erinnere sich aber nicht, welche Nachricht es genau gewesen sei.

Die Angst vor einer nuklearen Eskalation des Ukrainekriegs habe ihn getrieben, hatte der 54-Jährige behauptet. Es sei ihm darum gegangen, seine Familie noch rechtzeitig in Sicherheit bringen zu können. Für die rechtzeitige Information, „wann es knallt“, habe er Kontakt zur russischen Seite gesucht. Er sei vom baldigen Einsatz taktischer Atomwaffen ausgegangen. Rückblickend bedauere er dies sehr.

Er sei damals in einer miserablen psychischen Verfassung gewesen, habe 18 Kilogramm abgenommen, kaum geschlafen und sei von Ängsten geplagt gewesen. Das Gericht hatte Zweifel an der genannten Motivation geäußert. Es sei für den Angeklagten offenbar leichter gewesen, sein Land zu verraten, als zum Arzt zu gehen.

Arbeitskollege hatte sehr gutes Verhältnis zu ihm

Ein Arbeitskollege beschrieb das Verhältnis zum Angeklagten während der gemeinsamen Arbeitszeit bei der Bundeswehr als sehr gut. Über die Verhaftung und die Spionagevorwürfe sei er sehr überrascht gewesen. „Das hätte ich nie von ihm gedacht“, sagte er. „Er war mit Leib und Seele Offizier. Ich konnte das nicht verstehen und akzeptieren. Sein Hang zur AfD war der einzige Punkt, der meinen positiven Eindruck von ihm getrübt hat.“

Spionageprozess gegen Berufssoldat in Düsseldorf
Ein Bild vom Prozessauftakt in Düsseldorf: Der deutsche Berufssoldat muss sich als mutmaßlicher Spion Russlands vor dem Oberlandesgericht verantworten.
Foto: Oliver Berg/dpa

Er habe keine Anzeichen dafür gesehen, dass sich der 54-Jährige damals in einer besonders schlechten psychischen Verfassung befunden habe. „Du hättest doch reden können, wir hätten doch reden können“, sagte er an den Angeklagten gerichtet.

Der Berufssoldat steht wegen besonders schwerer Spionage zugunsten Russlands vor Gericht. Der 54-Jährige war laut Bundesanwaltschaft als Hauptmann der Bundeswehr für Systeme der elektronischen Kampfführung zuständig. Sein Ziel sei gewesen, „den russischen Streitkräften vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Lage einen Vorteil zu verschaffen“.

Mehrfach habe der Hauptmann dann von sich aus ab Mai 2023 dem russischen Konsulat in Bonn und der russischen Botschaft in Berlin vertrauliche Informationen zukommen lassen mit dem Zusatz: „gerne mehr“. Mit den Worten, das Wissen, das er zur Verfügung stellen könne, würde „ein beträchtliches Plus für die russischen Streitkräfte und die Russische Föderation bedeuten“, habe er für sich als Agenten geworben. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Beamte des Bundeskriminalamtes hatten den Hauptmann am 9. August in Koblenz festgenommen. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Der Angeklagte klagte am Montag über seine Haftbedingungen in Düsseldorf. Er sitze in Isolationshaft, habe nichts zu lesen und seine Depression werde nicht behandelt.