Rheinland-Pfalz

Prävention: Anschaffen und gesund bleiben ist schwer

Prostituierte schlafen nicht selten mit zehn Freiern am Tag – und benutzen nicht immer dabei ein Kondom. Das liegt nicht an ihnen, sondern wird von ihren Kunden so verlangt. Dem Wunsch kommen viele Sexarbeiterinnen des Geldes wegen nach und riskieren dabei schwere Infektionskrankheiten.

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Bis 2001 gab es das Bundesseuchengesetz, das die Frauen verpflichtete, sich alle 14 Tage beim Gesundheitsamt auf Geschlechtskrankheiten untersuchen zu lassen. „Bis 2001 waren wir sehr gut frequentiert und hatten sehr guten Kontakt und Einblick in die lokale Prostitutionsszene“, sagt Prof. Ursula Rieke, Sexualmedizinerin und Leiterin der Infektionsberatungsstelle am Gesundheitsamt Montabaur.

„Selbst die ausländischen Prostituierten, die erfahrungsgemäß häufiger die Arbeitsregionen wechselten, waren in einem guten, wenn auch sprachlich improvisierten Kontakt zu uns.“ Dann wurde das Gesetz abgeschafft. „Ich habe vor den Konsequenzen durch eine Freiwilligkeit gewarnt. Gerade im ländlichen Raum haben die Frauen keine Möglichkeit, uns ohne Verkehrsanbindung und Ortskenntnis zu erreichen, und sind vom Engagement ihrer Zuhälter abhängig“, sagt Ursula Rieke, die seit 1988 Menschen anonym im Gesundheitsamt Montabaur auf sexuell übertragbare Infektionskrankheiten untersucht.

Die Bluttests, Abstriche, Hepatitisimpfungen und bei fehlender Krankenversicherung auch die Therapien sind kostenlos. Dass es solche Angebote in den Gesundheitsämtern in Koblenz, Montabaur und Trier gibt, wissen die Prostituierten häufig nicht.

Die Folge: steigende Infektionszahlen. „Syphilis ist auf dem Vormarsch, Hepatitis natürlich auch, Chlamydien, all diese sexuell übertragbaren Krankheiten“, sagt Christine Bangert von der Koblenzer Beratungsstelle Roxanne, die auch Aufklärungsarbeit bei den Prostituierten betreibt. HIV und Aids sind laut Christine Bangert weniger das Problem.

„Uns sagen sie, dass sie den Geschlechtsverkehr nicht ohne Schutz anbieten. Wie es tatsächlich ist und wie die Konkurrenzbedingungen sind und man vielleicht Angebote machen muss, die man gar nicht machen möchte, ist eine andere Frage. Syphilis überträgt sich nicht nur durch Geschlechtsverkehr und in der Regel wird Oralsex ohne Schutz angeboten. Da kann man sich mit einigen Krankheiten anstecken.“

Im Jahr 2011 registrierte das Robert Koch-Institut (RKI) 4,5 Syphilisinfektionen auf 100 000 Einwohner – die höchste Zahl der Erkrankungen seit Einführung des neuen Infektionsschutzgesetzes im Jahr 2001. 2012 wurden dem Institut 126 Erkrankungsfälle von Syphilis gemeldet – so viele wie seit 2004 nicht mehr (131). Laut RKI ist der Anstieg in erster Linie bei homosexuellen Männern erkennbar, aber auch unter heterosexuellen Männern und Frauen ist die Übertragung der Syphilis keine Ausnahme.

„Die steigende Zahl der Syphilisinfektionen ist ein Marker für Risikoverhalten im Kontext Sexualität“, meint Sexualmedizinerin Ursula Rieke. Fatal ist auch, dass viele Prostituierte, häufig Ausländerinnen, keine Krankversicherung haben und sich deswegen nicht regelmäßig testen lassen. Durch ihre Selbstständigkeit müssten sie sich für rund 350 Euro pro Monat privat versichern – das können und wollen die Frauen finanziell nicht leisten.

„Sie haben einen riesengroßen Druck, weil das so teuer ist“, sagt Sozialpädagogin Christine Bangert. „Die Nachzahlungen für die Zeit, in der sie nicht versichert waren, ist zu hoch. Das macht die Hürde noch mal größer, sich zu versichern.“

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Anonyme und kostenlose Untersuchungen beim Gesundheitsamt in Koblenz gibt es donnerstags von 9 bis 11.30 Uhr. Infos unter Tel. 0261/914 80 70. Termine in Montabaur können unter Tel. 02602/124 710 vereinbart werden. Untersuchungen finden montags von 11 bis 14 Uhr statt.

Die Beratungsstelle Roxanne ist unter Tel. 0261/914 697 41 oder per E-Mail an roxanne.koblenz@profamilia.de erreichbar.