Sicherheit: Datensammeln ohne Maas und Ziel

Berlin – Heiko Maas war auf der bundespolitischen Bühne bislang eher wenig präsent. Bei seiner Amtsübernahme im Bundesjustizministerium Mitte Dezember sagte der Saarländer selbstironisch, vermutlich hätten einige im Haus in den vergangenen Tagen seinen Namen gegoogelt.

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Die Trefferzahl für Maas bei der Suchmaschine ist nun deutlich nach oben geschnellt: Der SPD-Mann tritt in Sachen Vorratsdatenspeicherung auf die Bremse und macht dadurch von sich reden. Der Koalitionspartner ist wenig begeistert. Die Vorratsspeicherung sorgt seit Jahren für Ärger. Union und FDP stritten ausdauernd und mit Hingabe über die Regelung – ohne Ergebnis.

Wer hat wann mit wem telefoniert, gesimst, gemailt? Diese Angaben sollen Telekommunikationsfirmen in der EU monatelang aufbewahren – für den Fall, dass Ermittler die Informationen auf der Suche nach Verbrechern irgendwann brauchen. Ist das verhältnismäßig? Die Meinungen darüber gehen weit auseinander. Maas' Vorgängerin im Justizressort, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), stemmte sich besonders vehement gegen die Datenspeicherung auf Vorrat.

Die zugrunde liegende EU-Richtlinie selbst steht gerade auf dem Prüfstand. Ein bereits veröffentlichtes EU-Gutachten hat große Skepsis gegenüber der Regelung erkennen lassen. Das abschließende Urteil des Europäischen Gerichtshofes soll in wenigen Monaten folgen. Für Maas ist das Grund genug, erst mal abzuwarten. Am Wochenende, passend zum Ende der Weihnachtspause, verkündete der SPD-Politiker, dass er nicht vorhat, sich schnell an einen Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung zu setzen – anders als sich die Union das wünscht und anders als es im gemeinsamen Koalitionsvertrag vorgesehen ist.

Politiker von CDU und CSU reagierten verärgert, verständnislos, erinnerten an die Koalitionsvereinbarung und schimpften, solche Debatten führe man nicht über die Medien. Auch Thomas de Maizière bescherte die Diskussion einen unsanften Start ins neue Jahr. De Maizière ist als Innenminister – wieder einmal – der Gegenspieler des Justizressortchefs.

Am Montag kam de Maizière gerade erst aus dem Weihnachtsurlaub zurück und sah sich gleich mit Fragen zum Vorstoß des Kabinettskollegen konfrontiert. Der CDU-Mann reagierte kühl: „Wir müssen uns wohl alle noch daran gewöhnen, dass wir jetzt Koalitionspartner sind. Das verlangt im Umgang ein anderes Verhalten als früher“, sagte er am Rande einer Veranstaltung in Köln. Und er erinnerte an den Koalitionsvertrag. Der gelte nämlich für alle.

De Maizière versicherte, er sehe die Debatte gelassen. „Und alles Weitere bespreche ich dann gemeinsam und intern mit meinem neuen Kollegen Justizminister.“ Die Klausur des Kabinetts soll es nun richten. Ende Januar kommen die Minister in beschaulicher Atmosphäre in Meseberg zusammen, um sich besser kennenzulernen und um über einige Themen zu beraten. Die Vorratsdatenspeicherung gehört nun dazu. Die Regierung verspricht eine Klärung der Unstimmigkeiten bei dem Treffen.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes wird bis dahin wohl nicht vorliegen. Maas sagte, es sei nicht ausgeschlossen, dass die Richter die EU-Richtlinie komplett kassieren. Dann müsse man ganz neu über die Vorratsdatenspeicherung reden. Dieser Fall ist aber unwahrscheinlich. Vermutlich wird der Gerichtshof eher gründliche Änderungen an der Regelung einfordern, die dann auch für die deutsche Regierung die Richtung vorgeben würden.

Der Streit der Großkoalitionäre dreht sich also nicht so sehr um das Ob, sondern um das Wann der Vorratsdatenspeicherung: also um die Frage, wann ein neuer Gesetzentwurf dazukommt – in ein paar Wochen oder erst in ein paar Monaten. Aber der Name des neuen Justizministers hat sich zumindest schon mal eingeprägt, auch beim Koalitionspartner. Derweil bekommt Maas auch Rückendeckung aus der Union. Mecklenburg-Vorpommerns Justizministerin Uta-Maria Kuder (CDU) äußerte in Schwerin Verständnis für die Haltung ihres Amtskollegen in Berlin: „Die Vorratsdatenspeicherung halte ich zur effektiven Strafverfolgung nach wie vor für wichtig.

Wir brauchen allerdings auch Rechtssicherheit. Daher ist es sinnvoll, die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes abzuwarten.“ CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl war an den Koalitionsgesprächen beteiligt. Er berichtete im Gespräch mit unserer Zeitung, dass genau über diese Frage, die Justizminister Maas nun zur Begründung seines Stopps anführe, gesprochen worden sei: „Wir haben überlegt, ob wir auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes warten sollen, und uns dann entschieden, das nicht zu tun, sondern sofort ein Gesetz zu erarbeiten. Insofern gibt es den von Maas behaupteten neuen Sachstand nicht.“

Deshalb appellierte die CSU an den SPD-Minister, er „möge sich bitte vertragstreu verhalten“.

dpa/may