Berlin/Karlsruhe

Parteien: NPD-Verbotsverfahren birgt großes Risiko

Der zweite Anlauf für ein NPD-Verbot wird eher unauffällig beginnen. Ein Bote soll heute den Verbotsantrag gegen die rechtsextreme Partei nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht bringen. Kein Presseauftritt, keine offiziellen Äußerungen, kein Fototermin.

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Von Christiane Jacke und Jochen Neumeyer

Mit genauen Auskünften, wann wer auf welchem Weg die Papiere einreicht, hielten sich die Beteiligten auffallend zurück. Die Länder, die einen neuen Versuch wagen, haben die Erfahrungen von 2003 noch im Hinterkopf. Damals scheiterte der erste Anlauf für ein NPD-Verbot – Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat fuhren eine heftige Niederlage ein.

Nun startet die Länderkammer einen Alleingang in Karlsruhe. Der Ausgang ist ungewiss. In der Antragsschrift werden auf mehr als 250 Seiten die Parolen und Thesen der NPD seziert: ihre Hetze gegen Ausländer und Andersdenkende, ihr Gerede von „Ausländerrückführung“, „Überfremdung“, „Orient-Krawallos“ und „artgemäßer Partnerwahl“.

Wesensverwandtschaft festgestellt

Die Autoren versuchen vor allem, Parallelen zwischen der Ideologie der NPD und den Nationalsozialisten des Dritten Reiches aufzuzeigen. Etwa beim Konzept der „Volksgemeinschaft“, das strikt „biologistisch-rassistisch“ geprägt sei. „Ein Afrikaner, Asiate oder Orientale wird nie Deutscher werden können, weil die Verleihung bedruckten Papiers ja nicht die biologischen Erbanlagen verändert“, heißt es in einer Argumentationshilfe für NPD-Funktionäre, aus der die Antragsteller zitieren.

„Angehörige anderer Rassen bleiben deshalb immer Fremdkörper.“ Es bestehe eine „Wesensverwandtschaft“ der NPD zum Nationalsozialismus, die für sich schon ein Verbot rechtfertigt, argumentieren die Autoren. NS-Größen würden glorifiziert, die Verbrechen des Nationalsozialismus relativiert. Hinzu komme das aktiv-kämpferische Auftreten der NPD und ihr Ziel, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen.

Die Parallelen, die die Verfasser zwischen NPD und NSDAP ziehen, sind interessant mit Blick auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dort könnte ein Verbot bei einem Erfolg in Karlsruhe noch scheitern. Die Kriterien der Straßburger Richter für Parteiverbote waren bislang eher streng. Allerdings ließen sie Spielräume bei historischen Besonderheiten erkennen. Schon vor gut einem Jahr hatten die Länder im Bundesrat beschlossen, ein neues Verbotsverfahren einzuleiten.

Sie nahmen sich viel Zeit, sammelten Hunderte Seiten an Belegen und mühten sich, Bundestag und Bundesregierung mit an Bord zu holen. Immer wieder verschoben sie den Termin für die Abgabe des Antrags. Parlament und schwarz-gelbe Regierung ließen sich aber nicht überzeugen. Bei ihnen überwog die Skepsis. Auch in den Koalitionsverhandlungen mit der Union konnte sich die SPD nicht durchsetzen, dass eine künftige schwarz-rote Regierung mitzieht.

Rein formal ist es egal, ob ein, zwei oder drei Verfassungsorgane einen Antrag stellen. Aber für die Außenwirkung ist es sehr wohl von Bedeutung. Vor zehn Jahren, als die drei Organe noch gemeinsam nach Karlsruhe zogen, scheiterte das Vorhaben, weil der Verfassungsschutz auch in der Führungsebene der NPD Informanten hatte. Das Problem sei ausgeräumt, die V-Leute abgeschaltet, versichern die Länder.

Einige Innenminister zierten sich lange, selbst zu garantieren, dass die Unterlagen „sauber“ sind – also ohne Informationen von V-Leuten. Sie wollten ihre Verfassungsschutzchefs vorschicken. Das ließ Zweifel an der Tauglichkeit des Materials aufkommen. Nun haben alle Minister selbst Testate abgegeben, um für die Unterlagen zu bürgen. D

ie Hürden für ein Parteiverbot sind generell hoch, ebenso das Risiko, dass auch Versuch Nummer zwei für ein NPD-Verbot missglücken könnte. Bislang wurden in der Geschichte der Bundesrepublik erst zweimal Parteien verboten: 1952 die nationalsozialistisch orientierte Sozialistische Reichspartei und 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD).

Schon länger Gedanken gemacht

In Kreisen der Verfassungsrichter hat man sich schon länger Gedanken über das Verfahren gemacht – ursprünglich hatten sie schon im Frühsommer mit dem Antrag gerechnet. Die Befürchtung, dass sich der Prozess über mehrere Jahre hinziehen könnte – wie beim KPD-Verbot 1956, als es fast fünf Jahre dauerte –, haben die Richter wohl nicht. In zwei Jahren ließe sich so ein Verfahren wohl bewältigen, hieß es aus dem Gericht. Nun ist Karlsruhe am Zug.