Berlin

Kartoffelbrei auf ein Monet-Gemälde in Potsdam geschmiert: Was wollen Klimaaktivisten erreichen?

Mitglieder der Klimaschutzprotestgruppe „Letzte Generation“ haben ein Monet-Gemälde in einem Potsdamer Museum mit Kartoffelbrei übergossen. Ihre Aktion soll die Regierung unter Druck setzen.
Mitglieder der Klimaschutzprotestgruppe „Letzte Generation“ haben ein Monet-Gemälde in einem Potsdamer Museum mit Kartoffelbrei übergossen. Ihre Aktion soll die Regierung unter Druck setzen. Foto: Letzte Generation

Zuerst lösten die Klimaaktivisten Feueralarm bei einem Kongress mit Bundeskanzler Olaf Scholz aus. Das war am Sonntag vor einer Woche. Montag vor einer Woche war Finanzminister Christian Lindner dran. Protestierende drangen in sein Ministerium an der Berliner Wilhelmstraße ein und klebten sich fest. Dienstag traf es Volker Wissing.

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Vor seinem Verkehrsministerium stritt die „Scientist Rebellion“ mit Kunstblut für ein Tempolimit. Am Mittwoch saßen dann junge Leute auf Autobahnschilderbrücken. Am Donnerstag wieder. Und so fort.

Am Sonntag nun verübten Aktivisten der Klimaschutzprotestgruppe „Letzte Generation“ im Potsdamer Museum Barberini eine Attacke auf ein wertvolles Gemälde des französischen Impressionisten Claude Monet. Ein Bild aus der Serie „Les Meules“ (Getreideschober) wurde dabei mit Kartoffelbrei bespritzt. „Da das Bild verglast ist, hat es der umgehenden konservatorischen Untersuchung zufolge keinerlei Schäden davongetragen“, erklärte das Museum. Die beiden beteiligten Personen wurden vorübergehend festgenommen, gegen sie wird nun wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung ermittelt.

Die Protestgruppe veröffentlichte auf Twitter ein Video von der Attacke auf das Gemälde. Sie forderte in der Erklärung am Sonntag von der Politik wirksame Maßnahmen zur Begrenzung des Klimawandels. Museumsdirektorin Ortrud Westheider sagte dazu: „Bei allem Verständnis für das drängende Anliegen der Aktivisten angesichts der Klimakatastrophe bin ich erschüttert über die Mittel, mit denen sie ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen suchen. Gerade in den Werken der Impressionisten sehen wir die intensive künstlerische Auseinandersetzung mit der Natur.“ Solche Landschaftsgemälde könnten Besucherinnen und Besuchern auch dazu Anstoß geben, „ihre Beziehung zur Umwelt zu reflektieren und zu hinterfragen“.

„Die Mittel, die Sie gebraucht haben, sind antidemokratisch.“

Ein Richter am Amtsgericht Berlin-Tiergarten in der Begründung einer Geldstrafe. Allein in Berlin gab es bis Mitte Oktober 666 Verfahren gegen Gesetzesverstöße von Aktivisten.

Vor gut einer Woche hatten Umweltaktivistinnen das Gemälde „Sonnenblumen“ (1888) des niederländischen Künstlers Vincent van Gogh in der National Gallery in London mit Tomatensuppe beworfen. Dabei wurde der Rahmen leicht beschädigt.

Rund 370 Aktionen zählt die radikale Klimagruppe „Letzte Generation“ seit Jahresbeginn: Autobahnblockaden, Proteste an Pipelines und Klebeaktionen in Museen oder bei Sportveranstaltungen. Jetzt rollt eine neue Protestwelle. Die Aktivisten scheinen immer besser vernetzt – die „Letzte Generation“, die sich 2021 für einen Hungerstreik in Berlin zusammentat, hat jetzt ein Bündnis mit Gruppen wie „Scientist Rebellion“, „Debt for Climate“, „End Fossil Occupy“ und „Eltern gegen die Fossilindustrie“ geschmiedet.

Sie riskieren Strafen für ihre Gesetzesverstöße und großen Frust bei Menschen, die sie blockieren. Speziell in Berlin, wo die Aktivisten zuletzt sehr häufig den Verkehr lahm legten, schäumt die politische Debatte. Der CDU-Landespolitiker Christopher Förster hat Strafanzeige wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gestellt. SPD-Innensenatorin Iris Spranger will für falsche Feueralarme Regress fordern. Der Wirbel ist groß, aber nützt das dem Klima?

Der Geowissenschaftler Florian Zander von „Scientist Rebellion“ sieht in den spektakulären Aktionen vor allem einen Nutzen: Aufmerksamkeit, um neue Mitstreiterinnen und Mitstreiter zu mobilisieren. Bei „Scientist Rebellion“ machen nach seinen Worten derzeit 1200 Wissenschaftler weltweit mit, davon etwa 100 in Deutschland. Sie alle seien bereit zu zivilem Ungehorsam, um das Versagen der Politik anzuprangern, sagt Zander.

Ziviler Ungehorsam, das ist aus Sicht der Aktivisten gewaltfrei – doch bedeutet es in der Regel Gesetzesverstöße, zum Beispiel gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr, Nötigung oder Sachbeschädigung. Allein bei der Berliner Staatsanwaltschaft gab es bis Mitte Oktober 666 Verfahren. 224 Strafbefehle wurden beim Amtsgericht Tiergarten beantragt, einmal Anklage erhoben. 138 Verfahren waren offen.

Die „Letzte Generation“ selbst weiß von bundesweit 51 Fällen, in denen Termine für eine Hauptverhandlung vor Gericht angesetzt sind. Neun Aktivisten wurden demnach bereits verurteilt. Auch Zander von „Scientist Rebellion“ stand schon vor Gericht wegen einer früheren Aktion vor dem Verkehrsministerium, will aber durch die Instanzen gehen. Die Aktivisten pochen auf einen Notstand, der Widerstand erlaube.

Bisher gehen deutsche Gerichte da nicht mit. Erst am Dienstag vor einer Woche schickte ein Richter am Amtsgericht Berlin-Tiergarten einen 21-Jährigen mit 600 Euro Geldstrafe wegen Nötigung und der Ermahnung nach Hause: „Die Mittel, die Sie gebraucht haben, sind antidemokratisch. Ich kann nicht glauben, dass Ihnen nichts anderes einfällt, als andere Leute in ihren Grundrechten einzuschränken.“

Die Störung ihrer Mitmenschen bedauern die Aktivisten öffentlich, sie erklären sie aber für nachrangig im Vergleich zu den dramatischen Folgen eines ungebremsten Klimawandels. „Erfolg haben wir, wenn die Klimakrise abgewandt wird“, lautet das Credo. Der Widerstand werde nun Woche für Woche stärker, warnen sie. Klaus Peters, Silvia Kusidlo