Der Kampf ums OLG

Der Kampf ums OLG
An die 3000 Menschen gehen für das Oberlandesgericht Koblenz (OLG) am 13. Mai auf die Straße. Foto: Thomas Frey

Der 28. April geht in die Geschichte des Oberlandesgerichts (OLG) in Koblenz ein: Rot-Grün will das OLG samt Generalstaatsanwaltschaft von Koblenz an den Rand des Landes, ins gut 200 Kilometer entfernte Zweibrücken, verfrachten. Der Norden des Landes ist wie vom Donner gerührt.

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Der 28. April geht in die Geschichte des Oberlandesgerichts (OLG) in Koblenz ein: Der künftige Justizminister Jochen Hartloff (SPD) verkündet am Rande von Koalitionsverhandlungen aus heiterem Himmel: Rot-Grün will das OLG samt Generalstaatsanwaltschaft von Koblenz an den Rand des Landes, ins gut 200 Kilometer entfernte Zweibrücken, verfrachten.

Der Norden des Landes ist wie vom Donner gerührt. Nicht nur Robenträger geraten in Rage. Unter Bürgern bricht sogar der alte Konflikt zwischen Rheinländern und Pfälzern wieder auf, zumal Rot-Grün keine mit Fakten untermauerten und plausiblen Argumente für den gewaltigen Verlust von Bürgernähe auf den Tisch legt und im Umfeld von Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) abseits des Protokolls von Rache an renitenten Koblenzer Juristen die Rede ist.

Bürger ahnen ohnehin sofort: Da soll ein Problem durch Auflösung gelöst werden. Auf den Chefposten im OLG, das es nicht mehr gibt, hat auch der Koblenzer Landgerichtspräsident Hans-Josef Graefen keinen Anspruch mehr. Dass die SPD seit 2006 Graefen verhindern will, hat sich bereits mit beispielloser Schmach gerächt: Präsident Ralf Bartz, von der SPD rechtswidrig ins Amt gehievt, musste nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gehen – begleitet von turbulenten Debatten im Landtag.

An der Spitze des langen Sternmarschs wurde ein Sarg getragen: Auf ihm prangte die Aufschrift
An der Spitze des langen Sternmarschs wurde ein Sarg getragen: Auf ihm prangte die Aufschrift „Willkür statt Argumente“.
Foto: dpa
Das ist nicht vergessen, als Rot-Grün die Wutbürger unterschätzt: Sofort hängen Protestplakate an der ehrwürdigen OLG-Fassade. Richterratsvorsitzender Peter Itzel, ein Sozialdemokrat, gründet einen Freundeskreis. Alle Kammern im Norden sind dabei, Bürger, Firmen und Kommunen schließen sich an. Am 13. Mai setzt sich ein Protestzug in Bewegung, den das Land so noch nicht erlebt hat: An die 3000 Menschen aus allen gesellschaftlichen Gruppen gehen in Koblenz auf die Straße – Richter, Anwälte und Notare auch in Roben. „König Kurt“ muss erstmals erleben, dass auch Sozialdemokraten in seinem Reich aufmucken. In Kreistagen, Stadt- und Gemeinderäten oder in Interviews mit unserer Zeitung sehen sie Beck „gar nicht mehr nah bei den Leuten“. Der frühere Oberbürgermeister der Stadt Koblenz, Eberhard Schulte-Wissermann (SPD), wird Vorsitzender des neuen Vereins Pro Justiz Rheinland.
Nicht nur Robenträger waren in Rage: Beim Protestmarsch liefen auch Wirtschaftsvertreter und Kommunalpolitiker aus Koblenz und dem weiten Umland mit.
Nicht nur Robenträger waren in Rage: Beim Protestmarsch liefen auch Wirtschaftsvertreter und Kommunalpolitiker aus Koblenz und dem weiten Umland mit.
Foto: dpa
Rot-Grün bleibt aber zunächst hart. Hartloff hebt die Ausschreibung für die OLG-Chefstelle auf, nimmt einen „verfassungswidrigen Zustand“ am OLG in Kauf, wie Juristen kritisieren. Das mobilisiert. Überall sammeln Bürger Unterschriften. Bäckereien, Metzgereien, Einzelhändler und Pfarrer rufen dazu auf, für eine bürgernahe Justiz zu kämpfen. Mehr als 66 000 Unterschriften kann der Verein am Ende Beck präsentieren.

Als Rot-Grün im August spürt, dass ein Volksbegehren droht und bundesweit Verbände wie Kommentatoren mit Becks Politik hart ins Gericht gehen, wird eingelenkt: Eine Kommission sucht nun bis April nach neuen Sparwegen. Und: Graefen, Wunschpräsident am OLG, wird im November doch noch ernannt – mit Becks Unterschrift! Trotzdem: Der Verein bleibt trotz des Etappensiegs wachsam. Die Protestplakate sind vorerst nur eingerollt.

Von unserer Chefreporterin Ursula Samary

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