Rheinland-Pfalz

Kein Jubel und noch viel Misstrauen

Neu im Land: Diese Demo von Justizangestellten im Mai 2011 war ein  erster Höhepunkt der Protestbewegung für das OLG Koblenz. Doch dies  machte auf die Landesregierung zunächst wenig Eindruck.
Neu im Land: Diese Demo von Justizangestellten im Mai 2011 war ein erster Höhepunkt der Protestbewegung für das OLG Koblenz. Doch dies machte auf die Landesregierung zunächst wenig Eindruck. Foto: dpa

Kommt der Einstieg in den Ausstieg? Vom Hausmeister bis zum Vizepräsidenten Bernd Sartor sind im Oberlandesgericht (OLG) Koblenz vor der Pressekonferenz von Ministerpräsident Kurt Beck und Justizminister Jochen Hartloff (beide SPD) alle angespannt.

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Rheinland-Pfalz – Kommt der Einstieg in den Ausstieg? Vom Hausmeister bis zum Vizepräsidenten Bernd Sartor sind im Oberlandesgericht (OLG) Koblenz vor der Pressekonferenz von Ministerpräsident Kurt Beck und Justizminister Jochen Hartloff (beide SPD) alle angespannt.

Wie schon am 28. April, als aus heiterem Himmel die Auflösung des OLG Koblenz und die Fusion mit dem OLG Zweibrücken verkündet wurde, erfahren sie alles aus den Medien – aus dem Liveticker unserer Zeitung. Das empört alle, auch die vom Aus bedrohte Generalstaatsanwaltschaft. „Das ist würdelos“, heißt es. Ein Wachmann sagt, dass er schon seit Monaten schlecht schläft, ständig in Sorge um seinen Arbeitsplatz ist.

Hering wirkte auf Itzel klarer

Können alle bald ein bisschen aufatmen? Nach den verwirrenden Nachrichten, die seit Gesprächen mit Hartloff verbreitet werden, erwarten alle zunächst „nichts Gutes“. Richterratsvorsitzender Peter Itzel schüttelt den Kopf angesichts der verworrenen Lage. Dabei schien diese am Vorabend im Gespräch mit SPD-Fraktionschef Hendrik Hering doch sonnenklar: Eine unabhängige Expertenkommission prüft eine Justizstrukturreform und echte Einspareffekte. Die Präsidentenstelle am OLG Koblenz wird besetzt, weil ansonsten schon rein formal Verfahren platzen können. Hellt sich Itzels Miene auf, wenn erste Zeilen über den Bildschirm flimmern?

Itzel schaut mit Kollegen gebannt zu. Beck verkündet einen Rückzug: Es wird eine Expertenkommission eingesetzt, die „frei“ ist. Hartloffs Worte klingen danach für die Richter verschwurbelt. Er wirkt auf sie wie mit dem Rücken zur Wand. Sie vermissen neben dem des Vorsitzenden, Professor Hermann Hill (Speyer), weitere Expertennamen. „Da wollen wir mitreden, kompetente Fachleute benennen“, sagt Itzel sofort. Für die Runde kündigt sich die erste Nagelprobe bei der Frage an, wie frei von Gängelung die Experten wirklich sind. Denn als politische Richtschnur gilt immer noch der umstrittene Koalitionsvertrag. Dies steht im Papier, das in der Pressekonferenz verteilt wird und die Koblenzer misstrauisch macht. „Ist das nur eine Beruhigungspille?“, fragen sich Richter. Wachsam wollen sie sein. „Die Protestplakate bleiben hängen“, heißt es spontan. Außerdem ist es den Richtern schleierhaft, wie Hartloff ein Einsparpotenzial von 2,7 Millionen Euro seriös ermittelt haben kann. Sie kalkulieren die Kosten einer OLG-Fusion mit Zweibrücken auf mehr als 10 Millionen Euro.

Fragen zur Chefstelle

Besonders viele Fragen bleiben für die OLG-Richter beim Punkt Präsidentenstelle, die wegen eines rechtswidrigen Verfahrens der SPD-Regierung seit Jahresbeginn frei ist. Hartloff kündigt an, die Stelle zu besetzen, „auf jeden Fall“, „in den nächsten Monaten“. Und „unter Berücksichtigung der laufenden Justizreform“. Wie passt alles zusammen? Will Hartloff mit dem Oberverwaltungsgericht (OVG) ein Geschäft aushandeln, damit die Stelle nicht binnen vier Wochen besetzt werden muss? Dies hatte das Verwaltungsgericht entschieden. Die OLG-Runde schaut sich fragend an. Sie hatte die Rücknahme von Hartloffs Beschwerde gegen die Verwaltungsgerichtsentscheidung erwartet, „damit er sich eine Klatsche vom OVG erspart“. Die Personalvertretungen am OLG halten es für eine „verfassungsrechtliche Pflicht der Landesregierung, die Präsidentenstelle nun endlich schnell zu besetzen“, heißt es später. Alles andere ist für sie „unzumutbar, beschädigt das Ansehen der rheinland-pfälzischen Justiz bundesweit“.

Graefen wartet ab

Drüben im Landgericht ist Präsident Hans-Josef Graefen vor dem Ticker auch nicht schlauer. Ihm hat das Bundesverwaltungsgericht bereits im November 2010 bescheinigt, dass er beim Bewerbungsverfahren von der Landesregierung ausgetrickst wurde. Er kann die Worte auch nicht werten, wartet ab. Itzels Gesichtszüge wirken eher gequält, als er seinen Obergenossen zuhört. Immerhin ist Beck von seiner Vorgabe weg, dass die Entscheidung noch in diesem Jahr fällt, stellt er fest. Ein Rechtsanwalt, auch in der SPD, meint zum Rückzug auf Raten: „ein halbes Waterloo.“

Vizepräsident Sartor reagiert zurückhaltend. Die Expertenkommission begrüßt er, hält es aber für „problematisch, dass eine Reihe von Vorgaben in die Welt gesetzt werden, an denen sie sich zu orientieren hat“.

Von unserer Redakteurin Ursula Samary