Tarifstreit bei der Bahn: Fernbusse sind die Streikgewinner

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Matthias Bunowsky kommt ausgepumpt an der Haltestelle an. „Ist der Bus schon weg?“, fragt er. Die Wartenden beruhigen, nein, der Fernbus nach Berlin kommt erst noch, er hat Verspätung, es ist so viel los auf den Straßen. Bunowsky ist einer von wohl Tausenden Reisenden, die der Bahnstreik zum Umsteigen in den Fernbus zwingt.

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Der viertägige Rekordstreik der Lokführergewerkschaft GDL ist das große Thema an diesem Tag in Mainz, und die Bewertung ist einstimmig: „Das ist völlig indiskutabel“, schimpft Bunowsky. Einen Tag Streik, das sei ja okay, „schließlich haben unsere Altvorderen das Streikrecht hart erkämpft“, sagt der Bau-Projektleiter. Aber einen Streik vier Tage lang „so brutal durchzuziehen – das geht gar nicht.“

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Buchungen vervierfacht

Bunowsky wäre eigentlich am Freitag mit der Bahn zurück nach Berlin gefahren, nun muss er den Bus schon am Donnerstag nehmen und braucht drei bis vier Stunden länger. „Bei Flixbus bin ich gar nicht erst auf die Seite gekommen“, sagt Bunowsky. Flixbus, das ist eines der Fernbusunternehmen in Deutschland. Es sitzt in München. „Bei uns ist die Hölle los“, heißt es dort. „Wir haben dreimal mehr Buchungen als sonst“, sagt Pressechefin Bettina Englert. „Uns wird die Bude eingerannt“, heißt es auch beim Unternehmen MeinFernbus. Viermal so viele Buchungen wie sonst verzeichnen sie hier, 250 Zusatzfahrten werden angeboten. „Wir können nur zusätzliche Busse anbieten, aber leider keine Zusatzfahrten, das ist rechtlich nicht erlaubt“, sagt Englert.

Ausgebucht

„Wir sind total ausgebucht“, sagt der Fahrer des Busses, der inzwischen in Mainz angekommen ist, „und es zahlen viel mehr Leute als sonst direkt bei mir – obwohl das teurer ist.“ Das eigentliche Geschäft der Fernbuslinien läuft direkt übers Internet, dort gibt es die Fahrt von Mainz nach Berlin für Frühbucher zum Schnäppchenpreis von 25 Euro, der Normalpreis liegt bei 53 Euro. Herti Schneider studiert die Schilder an der Haltestelle, die Mainzerin hat kein Internet und versucht gerade herauszufinden, wann die Busse fahren. Nächste Woche will sie zu einem 75. Geburtstag nach Freiburg, „und wenn die dann mal wieder streiken, muss ich doch wissen, wie ich dahin komme“, sagt sie, und dass sie „total sauer“ wegen des Streiks ist. Die Verweigerungshaltung von GDL-Chef Claus Weselsky sei „unmöglich“, schimpft sie. „Das ist ja auch ein enormer wirtschaftlicher Schaden“, sagt Bonowsky, schließlich werden auch die Güterzüge bestreikt.

„Ich bin Arzt“, erzählt ein Mann, der weiter hinten im Bus sitzt. Der Saarländer ist auf dem Weg zu einer Tagung nach Frankfurt. Weil er den Bus nehmen musste, „musste ich heute meinen Patienten absagen“, sagt der Chirurg wütend: „Nur weil ein paar Leute da das ganze Volk erpressen!“

Wenn Bahnfahren zum Abenteuer wird

Nebenan im Hauptbahnhof geht es derweil ruhig zu, verwaist ist der Bahnhof aber keineswegs. „Ja, wir fahren auch nach Worms“, sagt Claudia Froitzheim zu einem Fahrgast, und der guckt freudig überrascht. „Wir versuchen, den Kunden mit unserem Notfallplan zu helfen“, sagt die Bahn-Mitarbeiterin, die sonst als Sekretärin bei der Bahn in Frankfurt arbeitet, Abteilung: Fernverkehr. „Die ICEs sind heute das Problem“, fügt sie seufzend hinzu. Praktisch jeder Fernzug hat Verspätung, eine Stunde ist normal. Im Nahverkehr hingegen hielt die Bahn am Donnerstag stündliche Verbindungen zu allen Fahrzielen aufrecht. „Wer heute aber quer durch Deutschland muss, der erlebt schon ein Abenteuer“, sagt Froitzheim. Am Süßigkeitenstand im Bahnhof packt die Dame hinter der Theke gelangweilt Tüten. „Wir haben einen ganz ruhigen Tag“, sagt sie, der Streik sei „eine komplett überflüssige Aktion“ und dass man dem GDL-Chef „eigentlich unsere Kosten für heute in Rechnung stellen müsste“.

An der Fernbus-Haltestelle steigen sie gerade in den nächsten Bus. „Wenn das mit dem Bus weiter so gut klappt“, sagte der Chirurg aus dem Saarland noch, „fahr ich künftig gar nicht mehr mit der Bahn!“ Gisela Kirschstein

Über den aktuellen Stand des Bahnstreiks informieren wir unter der Adresse ku-rz.de/bahnblog. Die Deutsche Bahn stellt ein schnelles Auskunftssystem unter der Adresse www.bahn.de/liveauskunft bereit, hier werden auch Verspätungen bereits laufender Züge angezeigt. Die Auskunft kann auch unter der kostenlosen Servicehotline 0800/99 66 33 telefonisch erreicht werden. Die Alternative zur Bahn können Fernbusse sein. Unser Kurzlink ku-rz.de/fernbusvergleich präsentiert gleich mehrere Fernbus-Auskunftsseiten im Web.