RZ-KOMMENTAR: Merkel hat die Partei im Griff, ihr neuer Kurs ist aber riskant

Christian Kunst
Christian Kunst Foto: Jens Weber

Eines muss man der CDU-Parteichefin und Kanzlerin Angela Merkel lassen: Sie bleibt sich treu.

Lesezeit: 2 Minuten
Anzeige

Eines muss man der CDU-Parteichefin und Kanzlerin Angela Merkel lassen: Sie bleibt sich treu. Nach der Sommerpause hat sie einen Herbst der Entscheidungen angekündigt. Gegenüber dem politischen Gegner, vor allem Rot-Grün, wollte sie klare Kante zeigen. Das hat sie auch in ihrer Rede beim CDU-Bundesparteitag getan. Mit viel Pathos, Leidenschaft und bissigen Angriffen auf den politischen Gegner hat sie die 1000 Delegierten auf den Wahlmarathon im nächsten Jahr eingeschworen. Die dankten es ihr mit einem fast zehn Minuten langen stehenden Applaus. Die Reihen hat sie wieder fest geschlossen.

Ob Steuersenkungen, die unklare Zukunft von Finanzminister Wolfgang Schäuble oder die Abschaffung der Wehrpflicht: Was die Partei noch vor wenigen Jahren kräftig ins Trudeln gebracht hätte, löst derzeit eher vorsichtige Debatten im Vorfeld des Parteitags aus. Merkel hat die Partei mittlerweile fest im Griff. Ihr Führungsstil erinnert zunehmend an Helmut Kohl. Auch er schaffte es, mit klugem Taktieren – manche nannten es Aussitzen–, Widerstände und mögliche Kontroversen in seiner Partei unter dem Deckel zu halten. Merkel gelingt dies, indem sie allen Kritikern etwas anbietet. Den Verfechtern von Steuersenkungen stellt sie eine Vereinfachung des Steuerrechts in Aussicht. Dies ist ein leises Ausrufezeichen in Richtung Finanzminister Wolfgang Schäuble, der dieses Projekt aus Sicht vieler Christdemokraten zu vorsichtig vorantreibt.

Vor allem hat Merkel in ihrer Rede aber die Herzen der Konservativen erwärmt. Mit ihrem deutlichen Bekenntnis zu den christlich-traditionalistischen Werten der CDU hat sie viele Sympathien zurückgewonnen. Hätte sie dies nicht getan, dann wäre der Dämpfer bei der Wahl zur Vorsitzenden wesentlich deutlicher ausgefallen. Und nur so kann sie die Konservativen in der Partei für die Vollendung ihres geradezu atemberaubenden Reformprozesses der vergangenen zehn Jahre gewinnen.

So erfolgreich Merkels innerparteilicher Kurs ist, so riskant ist der inhaltliche Akzent ihrer Rede, bei dem sie ebenfalls auf Kohls Spuren wandelt. Ihre scharfen Angriffe auf Rot-Rot-Grün und die klare Parteinahme für Stuttgart 21 könnten im Mega-Wahljahr 2011 zum Bumerang werden. Die CDU-Chefin setzt alles auf eine Fortsetzung von Schwarz-Gelb und auf einen harten Lagerwahlkampf. Doch selbst wenn die Union die Trendwende bei den Umfragen und an den Wahlurnen schafft, heißt das noch längst nicht, dass auch die FDP den Ausweg aus dem demoskopischen Tal der Tränen schafft. Sollte es nach den Wahlen etwa in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz aber nur für eine schwarz-grüne Mehrheit reichen, dann muss Merkel nicht nur ihren Parteikollegen erklären, warum aus Feinden plötzlich Freunde werden. Die gewiefte Taktikerin Merkel wird auch dann einen Ausweg finden. Doch ihrer Glaubwürdigkeit wird das nicht guttun. Denn dann wird die CDU den Grünen oder einem anderen Partner Zugeständnisse machen müssen. Das wird viele Konservative gar nicht freuen.

E-Mail: christian.kunst@rhein-zeitung.net