Rheinland-Pfalz

Interview: Schmerzfrei – bis es zu spät ist

Statistisch leidet jeder zehnte Deutsche an Altersdiabetes – doch nicht alle wissen es. Die Zuckerkrankheit frisst sich schleichend durch die Gesellschaft, wie der Westerwälder Diabetologe Dr. Michael Kann im Gespräch mit unserer Zeitung warnt.

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Rheinland-Pfalz. Statistisch leidet jeder zehnte Deutsche an Altersdiabetes – doch nicht alle wissen es. Die Zuckerkrankheit frisst sich schleichend durch die Gesellschaft, wie der Westerwälder Diabetologe Dr. Michael Kann im Gespräch mit unserer Zeitung warnt.

Ist Altersdiabetes eine Volkskrankheit?

Ja, mittlerweile muss man davon ausgehen, immerhin ist ein Zehntel der Bevölkerung in Deutschland betroffen. Allerdings benutze ich den Begriff Altersdiabetes nicht, weil er verharmlosend und verniedlichend klingt. Natürlich ist der Anteil der älteren Menschen höher, aber zuletzt hatte ich auch schon Jugendliche, die an Typ 2 erkrankt waren.

Wie ist die Entwicklung in den vergangenen Jahren?

Die Zahl der Erkrankungen ist deutlich zunehmend, und das Alter der Betroffenen sinkt immer weiter – was häufig mit Übergewicht, aber auch mangelnder Bewegung zu tun hat.

Wie hoch schätzen Sie deshalb die Dunkelziffer unerkannter Erkrankungen ein?

Die dürfte auch relativ hoch sein, zumal die Stoffwechselkrankheit im Schnitt bereits sechs Jahre besteht, bevor sie diagnostiziert wird.

Woran liegt das?

Es kann natürlich schon früher diagnostiziert werden – dafür müsste man sich aber im Vorfeld regelmäßig untersuchen lassen. Allerdings ist die Teilnahmequote an diesen Vorsorgeuntersuchungen recht gering.

Wird das Risiko unterschätzt?

Es wird deutlich unterschätzt. Ein Beleg dafür ist, dass wir trotz aller medizinischen Möglichkeiten in Deutschland immer noch eine hohe Zahl an Amputationen, Erblindungen und Dialysen infolge von Diabetes Typ 2 haben. Weil die Krankheit am Anfang nicht sichtbar ist und auch nicht wehtut, sehen die wenigsten die Notwendigkeit, sich untersuchen zu lassen.

Bei Krebs ist das Bewusstsein mittlerweile recht groß – hat Diabetes Aufholbedarf?

Deutlich. Wenn es um die Auswirkungen geht, wird zudem auch das Verhältnis zum Krebs unterschätzt. Diabetes ist eine Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems, und die Zahl der Todesfälle in diesem Bereich übersteigt mittlerweile die Zahl tödlicher Krebserkrankungen. Schlaganfälle oder Herzattacken können Auswirkungen einer jahrelangen, schleichenden Diabetes sein.

Sind die Vorsorgemaßnahmen ausreichend?

Die Möglichkeiten sind da, sie müssen allerdings auch in Anspruch genommen werden. Auch hinterher in der Therapie gibt es viel Unterstützung. Jedoch wird sie häufig vom Patienten nicht länger durchgehalten. Meist wird das Leben nach der Diagnose kurz umgestellt, und dann fällt es in den alten Trott zurück.

Woran können Betroffene die Erkrankung erkennen?

Zunächst gar nicht. Später dann durch großen Durst und drastischen Gewichtsverlust sowie Sehstörungen.

Wie normal kann das Leben mit Typ 2 heute sein?

Das muss überhaupt nicht eingeschränkt sein. Früher hat man strenge Regeln aufgestellt, heute passt man die Therapie an das Leben des Patienten an.

Das Gespräch führte Peter Lausmann