Ex-Marinesoldat: Auf „Gorch Fock“ wurde schikaniert – Respektloser Umgang und Demütigungen

In die Takelage: Wer sich weigerte, wurde gedemütigt. 
In die Takelage: Wer sich weigerte, wurde gedemütigt.  Foto: dpa

Schikanen, Demütigungen und Alkoholexzesse: Ein ehemaliger Offiziersanwärter spricht von einem selbst für die Marine „ungewöhnlich rauen Umgang“ auf dem Segelschulschiff „Gorch Fock“. „Offiziersanwärter wurden schikaniert“, sagt er.

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Schikanen, Demütigungen und Alkoholexzesse: Ein ehemaliger Offiziersanwärter spricht von einem selbst für die Marine „ungewöhnlich rauen Umgang“ auf dem Segelschulschiff „Gorch Fock“. „Offiziersanwärter wurden schikaniert“, sagt er.

Der ehemalige Marinesoldat fuhr in den 90er-Jahren auf dem Schiff. Besonders das Verhältnis zwischen der Stammmannschaft und den Soldaten in der Ausbildung ist von „respektlosem Umgang und Demütigungen“ geprägt gewesen.

Nachdem im November eine junge Offiziersanwärterin aus der Takelage in den Tod stürzte, ist die Ausbildung auf dem Segelschulschiff der Marine massiv in die Kritik geraten. Zuletzt wurde bekannt, dass vier Auszubildende, die nicht in die Masten klettern wollten, Meuterei vorgeworfen wurde. Die Ausbildung auf der „Gorch Fock“ ist für Offiziersanwärter Pflicht.

Dabei ist der zweifelhafte Ruf des Schiffs durchaus bekannt gewesen, sagt der ehemalige Offizier. „Nach außen wurde die Zeit auf dem Schiff oft glorifiziert, intern hatte es aber einen anderen Ruf.“ Wer sich etwa weigerte, die Takelage zu entern, wurde zum Deckschrubben und Toilettenputzen abkommandiert. „Es wusste auch keiner, dass das Klettern in die Takelage kein Muss ist“, sagt er. „Dabei waren viele nicht schwindelfrei.“ Überhaupt trauten sich nur die wenigsten Offiziersanwärter, gegen die Demütigungen aufzubegehren. „Viele lassen dort viel zu viel über sich ergehen“, hat er beobachtet. „Es wird einem ständig das Gefühl vermittelt, dass man nichts wert ist.“

Besonders gefürchtet waren die Bestrafungsmaßnahmen. Ein junger Soldat wurde nachts aus der Koje geschleift. „Mit einem Trichter wurde ihm Alkohol eingeflößt.“ Zur Äquatortaufe – ein Ritual bei der Überquerung des Äquators – mussten die „Täuflinge“ einen Sud aus Tabasco und Innereien trinken. Nach der Wachablösung kam es regelmäßig zu Trinkgelagen. In den Häfen deckte sich die Crew mit neuen Alkoholvorräten ein. Auch ein höherer langjähriger Marineoffizier bestätigt unserer Zeitung das schon immer brisante und nicht konfliktfreie Verhältnis zwischen Stammcrew und durchlaufender Besatzung. Frauen an Bord haben dies noch komplizierter gemacht. Allerdings wirbt er dafür, Trinkrituale und rauen Ton nicht überzubewerten.

Die Folgen sind nun nicht nur für die Marine beträchtlich: Die „Gorch Fock“ hat einen unbezahlbaren Werbewert für Marine-Interessierte, gilt als nationales Symbol und ist schließlich der „blaue Botschafter“ für Deutschland in der Welt, sagt der ehemalige Offizier. Mit dem Meutereivorwurf ist die „Gorch Fock“ nun stigmatisiert.

Von unserem Redakteur Dietmar Telser