Brüssel

Deutscher Admiral: Seeblockade vor Gaza ist rechtlich unangreifbar

Die Empörung über das Vorgehen Israels ist weltweit groß. Doch wie ist die rechtliche Lage? Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt Vizeadmiral a. D. Lutz Feldt – bis 2006 Chef der Bundesmarine und jetzt Koordinator eines EU-Expertenteams, das sich mit Seeraumüberwachung und maritimer Sicherheit befasst -, warum die Aktion Israels rechtlich nicht zu greifen ist.

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Brüssel – Die Empörung über das Vorgehen Israels ist weltweit groß. Doch wie ist die rechtliche Lage?

Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt Vizeadmiral a. D. Lutz Feldt - bis 2006 Chef der Bundesmarine und jetzt Koordinator eines EU-Expertenteams, das sich mit Seeraumüberwachung und maritimer Sicherheit befasst -, warum die Aktion Israels rechtlich nicht zu greifen ist.

Die israelische Marine hat Schiffe in internationalen Gewässern aufgebracht? Ist das legal?

Im Gegensatz zu Land und Luft ist der Bereich auf See recht unreguliert. Insofern ist das eine knifflige völkerrechtliche Frage, die nicht eindeutig zu beantworten ist. Es stellt sich die Frage, warum die israelische Marine nicht gewartet hat, bis sich die Schiffe in der von Israel festgelegten Blockadezone befanden – das hätte die Lage viel eindeutiger gemacht. In dieser Konstellation kann man aber nicht eindeutig von legal oder illegal sprechen – zumal es auch kaum Präzedenzfälle gibt.

Diese Blockadezone reicht weit über die zum Staat gehörende Zwölf-Meilen-Zone hinaus. Wie ist so etwas seerechtlich zu begründen?

Unter bestimmten Bedingungen können solche Seeblockaden in Krisenlagen verhängt werden. Aber sie müssen international bekannt sein – wie im Fall Gazas. Damit sollen Waffenschmuggel und Angriffe von See unterbunden werden. So wie in den 1990er-Jahren in der Adria gegen Restjugoslawien. Daher ist es mit internationalem Recht vereinbar.

Abschleppen aus internationalen Gewässern – ist das nicht Piraterie?

Abschleppen und eskortieren aus internationalen Gewässern fällt in diesem Fall nicht darunter, denn es hängt immer von den Intentionen ab. Das ist im Seerecht klar geregelt. Israel hatte nie die Absicht, die Schiffe zu enteignen oder deren Ladung zu stehlen. Vielmehr wollte man wissen und kontrollieren, was an Bord ist und zivile Güter nach Gaza weiterleiten. Aber man hätte diese Aktion von beiden Seiten viel geschickter abwickeln können.

Wie zum Beispiel?

Diese „Solidaritätsflotte“ hätte beispielsweise mit der UNO kooperieren können, statt mit einer islamistischen Organisation. So wäre der Konvoi sicher durchgekommen. Das ist es ja auch für Somalia der Fall, der Vergleich drängt sich auf und es ist ein Hilfsprogramm der UNO. Und auch bei der israelischen Reaktion wären sicher nicht so viele Fragezeichen aufgetaucht, wie es jetzt der Fall ist.

Unter den nach Aschdod geschleppten Schiffen ist auch eines, das unter der Flagge eines EU-Landes, nämlich Irland, fährt. Ist das ein Fall für den EU-Gerichtshof?

Jetzt müssen erst mal eine Reihe von Untersuchungen abgeschlossen werden, und ich bin mir sicher, dass sich das internationale Recht nach diesem Vorfall weiterentwickeln wird. Allerdings glaube ich nicht, dass eine Anklage vor dem Europäischen Gerichtshof derzeit Erfolg hätte, das Schiff und die Besatzung haben ja ihr Ziel erreicht, allerdings unter Aufsicht der israelischen Marine.

Auch deutsche Marineschiffe kreuzen wegen der LibanonMission in der Region. Stehen sie in der Pflicht, einzugreifen, wenn es zu Übergriffen in internationalen Gewässern kommt?

Auf gar keinen Fall, weil sich die Schiffe nicht in einer Notsituation befinden. Hätten sich die Menschen an Bord anders verhalten, wäre es wahrscheinlich gar nicht zur Gewaltanwendung gekommen. Auch hier geht es letztlich um die Intention: Sicher wollten viele in erster Linie helfen, andere aber nur Israel provozieren. Und wenn man die globale Aufmerksamkeit sieht, muss man sagen: Sie haben ihr Ziel erreicht.

Nun sollen iranische Schiffe unterwegs sein. Was würde passieren, wenn der Iran auch militärische Sicherungseinheiten mitschickt? Ist das die nächste Eskalationsstufe?

Ich hoffe nicht, dass dieser Fall eintritt. Was mich dabei zuversichtlich macht, ist, dass bereits einige arabische Mittelmeer-Anrainer die iranischen Angebote ausgeschlagen haben. Auch sie fürchten eine Eskalation sowie einen zu einflussreichen Iran.

Wie schätzen Sie die Marine Israels ein, und welche Rolle spielt sie im Nahen Osten?

Ich kenne die israelische Marine als sehr professionell. Sie hat in den vergangenen Jahren viel zur Stabilität des Landes beigetragen. Deshalb bin ich ein wenig ratlos, warum man sich zu diesem Eingreifen hat hinreißen lassen. Ich kann es nur damit erklären, dass sich Israel von allen Seiten – nun auch vom Meer – in seiner Existenz bedroht fühlt.

Das Gespräch führte Peter Lausmann