Gastbeitrag von DFB-Präsident Zwanziger: Frauen-WM hat neue Maßstäbe gesetzt

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DFB-Präsident Theo Zwanziger. Foto: DPA

Fast genau auf den Tag einen Monat ist sie nun vorbei, die Frauenfußball-Weltmeisterschaft in Deutschland. Natürlich reichen die 34 Tage, die seit dem Finale zwischen Japan und den USA vergangen sind, für ein endgültiges und nachhaltiges Fazit nicht aus, für eine vorläufige Bilanz aber allemal.

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Was also hat das Turnier dem DFB und besonders dem Frauenfußball hierzulande gebracht? War die WM ein Erfolg und hat sie – was am Wochenende des Saisonstarts besonders interessant ist – womöglich positive Auswirkungen auf die Frauenfußball-Bundesliga?

Die vorläufige Bewertung eines Großereignisses wie der Frauen-WM muss sich an den Erwartungen orientieren, die im Vorfeld geäußert wurden. Diese waren, je nachdem von wem formuliert und auf welchen Bereich bezogen, sehr unterschiedlich. Als DFB-Präsident gehörte ich zwar nie zu den Personen, die etwas blauäugig davon ausgegangen waren, dass der Titelgewinn für unsere Mannschaft zum Selbstläufer wird. Dennoch ist klar, dass zumindest im sportlichen Bereich die Ziele des DFB verfehlt wurden.

Die Suche nach den Gründen dafür ist noch nicht abgeschlossen, die Analyse von Silvia Neid und ihrem Trainerteam läuft auf Hochtouren. Dennoch glaube ich schon heute sagen zu können, dass die außergewöhnliche Drucksituation einer Heim-WM eine wichtige und leider negative Rolle gespielt hat. Die tolle Kulisse in den vollen Stadien, die wir alle wollten, war für die Spielerinnen wohl gleichzeitig ein zu großer Ballast. Daher stellt sich für mich heute vor allem die Frage, ob wir die Mannschaft darauf vielleicht noch intensiver hätten vorbereiten müssen. Beispielsweise durch zusätzliche psychologische Maßnahmen.

In allen übrigen Bereichen war die Weltmeisterschaft in Deutschland jedoch ein voller Erfolg und übertraf oftmals sogar unsere Erwartungen deutlich. Wir haben in der Spitze und Breite neue Maßstäbe gesetzt, und die Teams aus der ganzen Welt haben sich in die Herzen der Zuschauer gespielt. Bester Beleg ist das Endspiel ohne deutsche Beteiligung, das hierzulande fast 16 Millionen Menschen vor dem Fernseher verfolgten.

Organisatorisch verlief ebenfalls alles bestens, und wirtschaftlich konnte der DFB sogar einen namhaften Überschuss in Millionenhöhe machen. Ein Großteil dieses Gewinns, rund 5 Millionen Euro, soll in Projekte und Kampagnen zur Optimierung der Nachwuchsarbeit und Entwicklung des Frauen- und Mädchenfußballs an der Basis fließen.

Womit ich beim Thema Nachhaltigkeit und der Frage bin, was das Turnier der Bundesliga und dem Frauenfußball in Deutschland bringen wird. Exakt kann man dies heute, nur wenige Wochen nach Turnierende, noch nicht sagen. Aber ich denke, dass das Turnier ein großer Schritt für die Anerkennung des Frauenfußballs weltweit, aber auch in Deutschland gewesen ist.

Ob deshalb nunmehr jedoch die Zuschauerzahlen in der Bundesliga explodieren? Kaum vorstellbar, auch wenn unsere Nationalspielerinnen teilweise vom gesteigerten Publikumsinteresse bei den Vorbereitungsspielen berichten und die WM eindrucksvoll gezeigt hat, dass es durchaus ein „spezielles“ Publikumspotenzial für den Frauenfußball gibt. Auch deshalb bin ich optimistisch, dass doch mehr Zuschauer in die Stadien kommen werden. Entscheidend wird sein, ob es gelingt, dieses „besondere“ Klientel von der nationalen auf die regionale Ebene herunterzubrechen. Soll heißen, ob es gelingt, diese sehr familienorientierten Menschen auch für den „kleineren“ Event Frauenfußball-Bundesliga zu interessieren.

Fraglich ist jedoch, wie lang dieser Boom anhalten wird. Abhängig ist dies vor allem auch vom Interesse der Fernsehanstalten an der Frauenfußball-Bundesliga. Es gibt durchaus positive Signale, beispielsweise von ARD und Sport1, gesichert ist eine dauerhafte TV-Präsenz der „stärksten Liga der Welt“, wie die US-amerikanische Nationalspielerin Ally Krieger die Bundesliga bezeichnet, noch nicht. Immerhin wird an diesem Sonntag ab 11.15 Uhr das inoffizielle Saisoneröffnungsspiel zwischen dem 1. FFC Frankfurt und der SG Essen-Schönebeck live im dritten Programm des Hessischen Rundfunks übertragen. Ein guter Start für die erste Saison nach der Weltmeisterschaft, der Hoffnung auf mehr macht.

Verstärkte TV-Präsenz und Erfolge im Spitzenbereich sind aber nur die eine Seite der Nachhaltigkeitsmedaille. Dem DFB geht es auch darum, die öffentliche Aufmerksamkeit, die durch die WM entstanden ist, an der Basis zu nutzen. Die Gelder für gezielte Maßnahmen stehen bereit, und Steffi Jones, die als Präsidentin des WM-Organisationskomitees einen großartigen Job gemacht und sich in allen Bereichen der Gesellschaft große Sympathien erarbeitet hat, muss als Leiterin der neuen Direktion Frauen- und Mädchenfußball dafür sorgen, dass die nachhaltigen Ziele an der Basis erreicht werden.

Dabei geht es in erster Linie nicht darum, im Sinne der Statistik möglichst viele neue Mitglieder sowie Mädchen- und Frauenmannschaften zu gewinnen. Vielmehr wollen wir dafür sorgen, dass jedes Mädchen, das sich für unseren Sport entscheidet, auch tatsächlich die Möglichkeit hat, ihn auszuüben. Und zwar ohne großen logistischen Aufwand in einem Verein in ihrer Nähe. Sollten wir dieses hochgesteckte Ziel tatsächlich erreichen, die Frage nach der Nachhaltigkeit der Frauenfußball-WM in Deutschland könnte endgültig positiv beantwortet werden. Dafür allerdings ist es heute, 34 Tage nach dem Endspiel, noch deutlich zu früh.

Von Theo Zwanziger