Plus
Trier

Juraprofessor im Interview: War der Trierer Amokfahrer schuldfähig?

Von Rolf Seydewitz
War der Trierer Amokfahrer schuldfähig? Foto: dpa

Eine Woche nach der Amokfahrt mit zahlreichen Toten und Verletzten sind immer noch viele Fragen unbeantwortet, auch jene, die sich mit dem tatverdächtigen 51-Jährigen beschäftigen. Wie geht es mit dem in Untersuchungshaft sitzenden Mann jetzt weiter? Welche Rolle spielt seine Alkoholisierung? Über diese und weitere Fragen hat der „Trierische Volksfreund“ mit dem Trierer Strafrechtsprofessor Till Zimmermann gesprochen.

Lesezeit: 5 Minuten
Viele Menschen verstehen nicht, warum bei dem 51-jährigen Amokfahrer von einem „mutmaßlichen Täter“ gesprochen wird oder dem „Tatverdächtigen“. Was hat es damit auf sich – der Mann ist doch der Täter? Das stimmt. Es klingt irgendwie komisch. Aber es ist nun einmal so: Wer als Täter feststeht, legen in Deutschland nur ...
Möchten Sie diesen Artikel lesen?
Wählen Sie hier Ihren Zugang
  • 4 Wochen für nur 99 Cent testen
  • ab dem zweiten Monat 9,99 €
  • Zugriff auf alle Artikel
  • Newsletter, Podcasts und Videos
  • keine Mindestlaufzeit
  • monatlich kündbar
E-Paper und
  • 4 Wochen gratis testen
  • ab dem zweiten Monat 37,- €
  • Zugriff auf das E-Paper
  • Zugriff auf tausende Artikel
  • Newsletter, Podcasts und Videos
  • keine Mindestlaufzeit
  • monatlich kündbar
Bereits Abonnent?

Fragen? Wir helfen gerne weiter:
Telefonisch unter 0261/9836-2000 oder per E-Mail an: aboservice@rhein-zeitung.net

Oder finden Sie hier das passende Abo.

Anzeige

„Die Tat brennt sich in das Gedächtnis der Stadt ein“

Trier. Eine Woche nach der Amokfahrt in Trier ist in der Stadt die Trauer überall gegenwärtig. Die Kerzen brennen großflächig weiter, am zentralen Trauerort an der Porta Nigra, aber auch als Lichterinseln in der Fußgängerzone – an jenen Stellen, an denen der Amokfahrer vergangene Woche fünf Menschen tötete. Wie am Hauptmarkt, an dem ein Baby und dessen Vater starben, oder in der Simeonstraße, wo eine Studentin (25) in den Tod gerissen wurde.

Das schreckliche Ereignis hat Trier enger zusammenrücken lassen. „Die Anteilnahme ist immens groß“, sagt Oberbürgermeister Wolfram Leibe (SPD). Viele Bürger hätten das Gefühl, dass auch sie selbst hätten Opfer werden können. „Das schweißt zusammen“, sagt er. Es habe bislang Tausende Beileidsbekundungen und 330 Schreiben aus aller Welt gegeben.

Der Amokfahrer (51) war am 1. Dezember mit einem Sportgeländewagen durch die Fußgängerzone gerast und hatte laut Ermittlern „wahllos und gezielt“ Passanten angesteuert. Neben den fünf Toten gab es mindestens 24 Verletzte, darunter sechs Schwerverletzte. Und manche von ihnen ringen noch um ihr Leben, sagt Leibe.

In der „kleinen Großstadt“ Trier sei die Hilfsbereitschaft groß. Auf einem Spendenkonto für Opfer und Angehörige seien bereits mehr als 420.000 Euro eingegangen. „Ich bin sprachlos über die große Anteilnahme“, sagt Leibe. „In Trier gibt es ganz viele Menschen, die auch immer wieder durch die Innenstadt laufen, die gedenken. Und es ist still und nachdenklich.“ Zweimal am Tag gehen Mitarbeiter des Grünflächenamtes zu den Gedenkstellen und schauen nach dem Rechten. Sie zünden Kerzen wieder an, die ausgegangen sind. Oder stellen die wieder auf, die der Wind umgeblasen hat. „Auch das ist ein Akt der Solidarität“, sagt Leibe. Der Amokfahrer sitzt seit vergangenem Mittwoch in Untersuchungshaft, unter anderem wegen fünffachen Mordes. Das Motiv für seine Tat ist noch unklar, er soll in diesen Tagen weiter vernommen werden.

Nach der Tat haben viele Menschen „über das Unfassbare“ sprechen wollen, wie ein Sprecher der Polizei Trier sagt. Unzählige seien zu einer Anlaufstelle auf dem Hauptmarkt gekommen, wo sie mit Polizisten und Notfallseelsorgern reden konnten. Sie hätten ihre Beobachtungen geteilt und erzählt, was sie belastete.

Auch an anderen Stellen in Trier sind Gedenkorte entstanden. An der Universität Trier beispielsweise gibt es einen Platz in Gedenken an die getötete Studentin der Rechtswissenschaft. Und im Trierer Dom liegt ein Kondolenzbuch an einem eingerichteten Gedenkort. Es seien bereits „sehr viele Menschen“ gekommen, sagte eine Sprecherin des Bistums Trier, um sich einzutragen, zu beten oder mit einem der Seelsorger zu sprechen.

„Die Amokfahrt hat sich im Herzen unserer Stadt ereignet und unmittelbar oder mittelbar nahezu jede Bürgerin, jeden Bürger dieser Stadt getroffen“, sagt der Trierer Bischof Stephan Ackermann. Das habe „natürlich Auswirkungen auf die Stadt, auf das Zusammenleben, auf den Umgang miteinander. Eine solche Tat brennt sich in das kollektive Gedächtnis einer Stadt ein“.

Die Stadt setzt in diesen Tagen bewusst Zeichen der Solidarität mit den Opfern. Dazu zählten eine Gedenkveranstaltung und eine Gedenkminute nach der Tat. Es werde auch einen Gedenkgottesdienst geben, sagte ein Sprecher der Stadt. Der Termin stehe aber noch nicht fest. Zudem wird die Porta Nigra jeden Abend bis einschließlich zum 10. Dezember in der Trauerfarbe Violett angestrahlt.

Es sei „eine kollektive Trauer“, die derzeit stattfinde, sagt Glücksforscherin Michaela Brohm-Badry an der Universität Trier. „Die meisten von uns kennen die Opfer ja nicht persönlich, und dennoch trauern wir mit.“ Die Amokfahrt, die viele Menschen in der belebten Innenstadt miterlebt haben, mache die eigene Verletzlichkeit deutlich. Die Tat hole „den Tod in unser Leben“. Und: „Wir trauern auch, weil durch diese Tat der Glaube erschüttert wird, dass Menschen im Grunde gut sind und wir ihnen vertrauen können.“

Von Birgit Reichert
Meistgelesene Artikel