Mehr als 44 Jahre lebe ich jetzt in der Perle am Rhein. Die Situation für Bahnreisende hat sich in vier Jahrzehnten kaum verändert, trotz zwischenzeitlichen Neubaus des Bahnhofs. Als ich noch zur Schule ging, besuchte uns immer unser Onkel, der in Bonn im Verkehrsministerium arbeitete.
Er war als junger Mann an Kinderlähmung erkannt und gehbehindert. Regelmäßig stieg er freitags mit Hilfe einer Begleitung am Bonner Hauptbahnhof in den Zug und wurde dann von unserer Familie am Bahnhof in Boppard in Empfang genommen.
Anfangs gab es noch eine Verbindung mit Planken über die Schienen zwischen Gleis 2 und 1, sodass der Onkel mit seiner starken Gehbehinderung die Rampe neben dem Bahnhofsgebäude erreichen konnte. Am unteren Ende, dort wo die Busse nach Buchenau abfuhren, war dann unser Auto geparkt. Im Zuge des Bahnhofsabrisses und Neubaus wurde diese wichtige Verbindung ersatzlos gestrichen. Unter Sicherheitsaspekten gesehen war das bestimmt eine nachvollziehbare Maßnahme.
Umso mühevoller und menschenunwürdiger gestaltete sich danach die Ankunft für unseren Onkel in Boppard. Nach dem Ausstieg aus dem Zug packte ihn meine Mutter unter den Achseln, mein Bruder und ich nahmen jeweils ein Bein, um ihn die 26 Treppenstufen hinunter zu tragen. Wir schleppten ihn mühsam hinunter und waren froh, wenn wir die Unterführung erreicht hatten. Er selbst hat nie geklagt, aber seine Ankunft als Gehbehinderter in Boppard dürfte für ihn stets eine Tortur gewesen sein. Und unsereins hätte damals nicht damit gerechnet, dass dieser für Gehbehinderte und Rollstuhlfahrer mangelhafte Zustand am Bopparder Bahnhof auch nach mehr als 40 Jahren nach wie vor noch Bestand hat. Immerhin: In zwei Jahren soll die Treppenbarriere am Bopparder Bahnhof ja Geschichte sein, wenn alle Baumaßnahmen so verlaufen, wie geplant.