Idar-Oberstein/Schanghai

Hans-Werner Müller: Der Bernsteinhändler und der Hahn

Gruppenbild mit Investoren und dem Mann, der offenbar alles eingefädelt hat: Das Foto, das nach Bekanntgabe des Hahn-Verkaufs am 6. Juni entstand, zeigt die chinesische Delegation, Staatssekretär Randolf Stich und Minister Roger Lewentz (3. und 4. von links), Greenfort- und KPMG-Vertreter und – am rechten Bildrand – auch den Idar-Obersteiner Bernsteinhändler Hans-Werner Müller und seine Frau. Müller unterzeichnete den Kaufvertrag mit.
Gruppenbild mit Investoren und dem Mann, der offenbar alles eingefädelt hat: Das Foto, das nach Bekanntgabe des Hahn-Verkaufs am 6. Juni entstand, zeigt die chinesische Delegation, Staatssekretär Randolf Stich und Minister Roger Lewentz (3. und 4. von links), Greenfort- und KPMG-Vertreter und – am rechten Bildrand – auch den Idar-Obersteiner Bernsteinhändler Hans-Werner Müller und seine Frau. Müller unterzeichnete den Kaufvertrag mit. Foto: Thomas Frey

Im Drama um den Verkauf des Flughafens Hahn tritt eine weitere, offensichtlich etwas dubiose Figur ins Rampenlicht: Ein Bernsteinhändler aus Idar-Oberstein im Kreis Birkenfeld spielt nach Informationen unserer Zeitung eine entscheidende Rolle bei dem umstrittenen Millionen-Deal mit der chinesischen Gesellschaft Shanghai Yiqian Trading (SYT). Sein Name: Hans-Werner Müller. Seine Rolle: Generalbevollmächtigter der SYT. Ort der Handlung: der Idar-Obersteiner Stadtteil Tiefenstein.

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Von Vera Müller, Volker Boch und Thomas Torkler

Das idyllische Tiefenstein war offenbar eine Schaltzentrale zur Vorbereitung der Kaufverträge für den Hahn. Hier soll der 64 Jahre alte Bernsteinhändler und China-Kenner Müller als deutscher Generalbevollmächtigter der SYT die Weichen für den Hahn-Kauf gestellt haben. So weit, so verwirrend.

B-Klassen-Fußball und Feiern zum 70. Geburtstag

Es ist ein etwas verwegener Ort, um sich Vertragsgespräche für ein solches Geschäft vorzustellen. Direkt neben dem städtischen Naturbad liegt das Sportgelände des TuS Tiefenstein. Hier spielt die erste Fußballmannschaft in der B-Klasse, die AWO und die Stadt veranstalten dort ihre Sommerfreizeiten. Beliebter Treffpunkt der rund 2400 Bürger Tiefensteins ist die dörflich geprägte Pizzeria am Sportplatz: Dort schaut man zusammen Champions League, dort feiert die Oma ihren 70. Geburtstag, und sonntags treffen sich die Senioren zum Tanzcafé.

Recherchen unserer Zeitung haben ergeben, dass sich hier aber auch große Geschäfte anbahnen können. Die chinesischen Hahn-Investoren haben sich an diesem Ort mehrfach mit Hans-Werner Müller getroffen, der in Tiefenstein mit seiner Familie lebt und von hier aus verschiedene Geschäfte treibt. Wurde hier der Hahn-Verkauf bei Pizza Speziale und Spaghetti Carbonara eingefädelt? Jedenfalls sollen hier die entscheidenden Akten und Ordner gewälzt worden sein. Die Gäste aus China übernachteten mehrfach in einer Pension vor Ort und auch in einem für seinen leckeren Spießbraten bekannten Hotel in Tiefenstein.

„Was machen die Chinesen hier?“

„Was machen die Chinesen so oft bei uns?“, fragten sich viele Tiefensteiner in den vergangenen Wochen und Monaten. „Und was hat der Müller damit zu tun?“ Dass der Bernsteinhändler mit im Boot ist, machte vor Ort schnell die Runde: Schließlich war der 64-Jährige mehrmals samt seiner aus der Ukraine stammenden Frau auf offiziellen Fotos zu entdecken. Jener Mann, der sich in Tiefenstein im Jahr 2004 nicht gerade beliebt gemacht hat: Auf Müllers Dach wurde damals eine Mobilfunkanlage errichtet – sehr zum Missfallen vieler Tiefensteiner. Prompt wurden Unterschriftenlisten gegen den Mast gefüllt und an den Bürgermeister übergeben.

Zwölf Jahre nach dieser Auseinandersetzung beschreibt die Nachbarschaft Müller nun als freundlich und zurückhaltend. Gut „majen“, wie die Einheimischen das Plaudern auf der Straße nennen, könne man mit ihm schon.

In der Öffentlichkeit plaudert Müller im Moment weniger. Seit der Vorstellung des Hahn-Verkaufs an SYT hat er sich nicht geäußert, wenngleich er bei der Präsentation des Deals auf dem Hahn mit dabei war. Die Leute auf der Straße sind auf jeden Fall überrascht. Geschäftstüchtig sei er ja, heißt es in Tiefenstein, aber auch ein wenig undurchsichtig.

Entscheidende Rolle im Verkaufsprozeß gespielt

Müller hat nach Recherchen unserer Zeitung eine ganz entscheidende Rolle im Verkaufsprozess gespielt. Im regionalen Umfeld wurde bereits gemunkelt, dass er Hahn-Geschäftsführer werden soll. Fakt ist nach unseren Recherchen aber vielmehr, dass Müller den Vertrag zwischen dem Land und SYT als Generalbevollmächtigter der chinesischen Gesellschaft unterschrieben hat. Noch zu Wochenbeginn soll der Bernsteinhändler dem einen oder anderen Bekannten in Tiefenstein erzählt haben, das Geld komme die Tage, und das werde alles kein Problem sein mit dem Hahn und der SYT. Er verstehe die ganze Aufregung um den Millionen-Deal nicht.

Aber es gibt diese vielen offenen Fragen, die verwirren. Eine davon ist diese: Wie kommt ein Idar-Obersteiner Bernsteinhändler mit Chinesen zusammen, die einen Flughafen im Hunsrück kaufen wollen? Nach Informationen unserer Zeitung gibt es offenbar eine private Verbindung zwischen Müller und Yu Tao Chou, dem Generalbevollmächtigten der SYT. Letzterer hatte bei der Pressekonferenz zum Hahn-Verkauf erwähnt, er habe den Hunsrück-Flughafen als Pilot von Yangtze River Express kennengelernt und mehrmals angeflogen. Daraus sollen auch Geschäftsbeziehungen zwischen Chou und Müller entstanden sein.

Während seiner Aufenthalte im Hunsrück hat Chou nach gesicherten Informationen Abstecher nach Idar-Oberstein gemacht, um dort Bernstein zu erwerben – beliebte Edelsteine in China. Wie unsere Zeitung erfuhr, betreibt oder betrieb die Ehefrau von Yu Tao Chou in Schanghai ein Bernsteingeschäft. Nach Informationen, die aus Mainzer Kreisen bestätigt wurden, haben Chou und Müller samt Familien sogar einen gemeinsamen Urlaub in Hongkong verbracht. Und wie unter Freunden auch mal über das Berufliche geplaudert wird, habe Müller seinen chinesischen Freund eben auch auf den anstehenden Verkauf des Hahns aufmerksam gemacht.

Der Generalbevollmächtigte ist generell schwer zu erreichen

Der Rest ist Geschichte. Ob es sich genau so abgespielt hat oder nur so ähnlich, lässt sich nicht vollends klären. Denn während sich das Drama um den Hahn zuspitzt, ist eine der maßgeblichen Personen nicht zu sprechen. Mehrere Versuche unserer Redaktion, den Bernsteinhändler zu erreichen, scheiterten. Fest steht aber, dass er als Generalbevollmächtigter die Kaufverträge unterzeichnet hat und deshalb auch bei der Verkaufsverkündung zugegen war.

Am Hahn löst das alles Verwunderung aus. Unserer Redaktion wird berichtet, dass Müller am Tag der Präsentation des neuen Eigners zwar mit einer größeren Entourage rund um die SYT-Wortführer am Flughafen war, aber in diesem Zusammenhang mehr als Organisator der Abläufe dieses Tages, ja als eine Art „Mann für alles“, in Erscheinung getreten ist. Er habe mehr wie ein Fahrer als ein Chef gewirkt, heißt es. Vor allem Mitarbeiter aus dem Raum Idar-Oberstein überrascht die Kunde von der führenden Rolle Müllers. Schließlich sei er in ein Insolvenzverfahren verstrickt. Dieses Gerücht ist nicht zutreffend, wenngleich gegen Müller 2002 ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde und es bei einem seiner aktuellen Projekte nicht rosig aussehen soll.

Über dem Hahn liegen weiter dicke dunkle Fragezeichen. Fröhlich wirkt nur ein „Familienfoto“, das am Tag der Verkaufspräsentation entstand. Darauf ist die chinesische Delegation mit Minister Lewentz, Staatssekretär Stich, Vertretern von KPMG sowie der Anwaltskanzlei Greenfort zu sehen – und Drahtzieher Müller nebst Ehefrau.