Überraschende Kooperation: Lidl will nur noch deutsches Bio verkaufen
Während der Discounter mit der Kooperation sein Image in Richtung Nachhaltigkeit aufpoliert, riskieren die Biobauern ihren guten Ruf. Das muss gewichtige Gründe haben, und die liegen auf der Hand: Will er konkurrenzfähig wirtschaften, muss der Ökolandbau wachsen. Etwa 5 Prozent der Biokundschaft erreicht Bioland derzeit – die Lidl-Kooperation eröffnet die Chance, 95 Prozent zu erreichen. Denn Marktführer beim Handel mit ökologisch erzeugten Lebensmitteln sind nicht etwa die Naturkostläden, sondern die Supermärkte: Lebensmittel- und Drogeriemärkte erreichen zusammen einen Marktanteil von 59 Prozent.
Bio boomt. Und auch wenn der Ökomarktanteil mit knapp 5 Prozent noch immer eine Nische ist, gibt es viel zu holen. Deutschland ist nach den USA der umsatzstärkste Biomarkt weltweit – in den vergangenen 15 Jahren hat sich der Umsatz fast vervierfacht. Das bringt hiesige Erzeuger in Bedrängnis. Sie kommen mit der Produktion nicht nach, der Handel greift auf Importprodukte zurück. Jede dritte Biokartoffel kommt aus dem Ausland, bei Äpfeln und Möhren ist es mehr als die Hälfte, schätzt die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft. Heißt: Die Wertschöpfung findet im Ausland statt – mit verwirrenden Konsequenzen für die Verbraucher. Denn Bio ist eben nicht gleich Bio, es wird zu höchst verschiedenen Standards produziert. Die Auflagen der deutschen Bioverbände liegen über den Anforderungen, die das EU-Biosiegel an Produzenten stellt. Zudem wird strenger kontrolliert. Hinsichtlich der Ökobilanz ist heimisches Saisonobst und -gemüse zudem unschlagbar. Es ist also durchaus im Sinne des Kunden, wenn Lidl jetzt mit Bioland kooperiert: Er schont die Umwelt und hat ein gutes Gewissen – das ihn an der Kasse nicht mehr kosten soll.
Der Schulterschluss des Einzelhandels mit Bioverbänden ist längst gang und gäbe: Rewe/Penny kooperieren mit dem Naturland-Verband, Globus hat mit Demeter eine Partnerschaft geschlossen. Bei Edeka sind Bioland und Naturland vertreten. Aldi, nach eigenen Angaben Umsatzführer beim Handel mit Bioprodukten, setzt auf Ware mit dem EU-Siegel: „Billigbio“. Nun wischt Lidl dem Konkurrenten mit seinem Vorstoß eins aus – nachdem der Konzern schon mit seiner Herkunftskennzeichnung für Fleisch vorgeprescht war und eigene Standards gesetzt hat. Auch beim Verkauf von Obst und Gemüse als loser Ware hatte Lidl vor Aldi die Nase vorn.Für die deutschen Bioland-Produzenten könnte sich das Geschäft als zukunftsträchtig erweisen: Bei Milch, zunehmend auch Eiern ist der Markt annähernd gesättigt. Der Discounter eröffnet immense neue Absatzmöglichkeiten. Durch die Hintertür sind sie bei Lidl längst stark vertreten: 80 Prozent der aus Deutschland stammenden Molkereiprodukte liefern deutsche Bioland-Bauern, munkelt man. Nicht unterm Verbandslabel, weil sich das nicht ziemt oder der Lieferant gerade in der Umstellungsphase zum Ökobetrieb ist. Ab 2019 ist Schluss mit der Geheimniskrämerei – dann wird das grüne Bioland-Label in den Lidl-Regalen allgegenwärtig sein.
Nicole Mieding
Wofür steht welches Biolabel? Welchen Weg geht Lidl derzeit beim Tierwohl? Das erfahren Sie unter ku-rz.de/biolabel