Mainz

Eine Kleine Umfrage

Man hat mich angerufen. Dieses eine Mal war es nicht Hollywood, sondern eine Meinungsforscherin: „Haben Sie zehn Minuten Zeit?“

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Zuerst war ich skeptisch. Ist das nur ein Vorwand, will sie mir irgendwas andrehen? Facebook-Aktien vielleicht, denn Facebook geht ja jetzt an die Börse. Möglichst vielen an die (Geld)Börse. Will sie mich etwa zu Blutspenden für Philip Rösler und die FDP bequatschen? Oder soll ich neuer griechischer Ministerpräsident werden? Immerhin hatte ich ja Leistungskurs Griechisch. Ziemlich altes Griechisch, aber so Burschen wie Diogenes, der in der Tonne lebte, oder Sokrates, der den Giftbecher auf Ex runterkippte, sind für eine Menge Griechen ziemlich aktuell.

Nein, nein, versichert mir die Dame, sie sei wirklich nur an meiner Meinung interessiert und alles bleibe anonym. Und dann fragt sie los, querbeet. Was sind die drängendsten Probleme in Deutschland? Ist die Politik in der Lage, sie zu lösen? Wer soll Bundeskanzler sein? Sollen Feiertage abgeschafft werden? Ist meine Mutter eine Freundin für mich? Meine Mutter als Freundin? „Schön, dass du kommst, aber hättest du nicht ein ordentliches Hemd anziehen können?“ Welche Freundin würde so was sagen, zumindest wenn sie Freundin bleiben will?

Zuerst ist die Fragerei lästig, und ich mache nur aus Gutmütigkeit mit. Doch dann, bei der Frage nach dem besten Kanzler, stell ich mir vor, wie Angela, Frank Walter, Peer und Sigmar jeden Morgen durchs taunasse Gras ihrer Vorgärten zum Briefkasten eilen. Auf dem Weg zurück ins Haus zerfleddern sie fieberhaft die Zeitungen. Wo ist die Antwort auf die Frage, die sie alle wieder einmal Stunden vor der Zeit aus dem Bett getrieben hat? „Wie sind meine Umfragewerte?“

Und wer ist es, der über sie entscheidet? ICH! Genießerisch lasse ich die Zeit vertropfen. „Hallo, sind Sie noch dran?“, die Dame wird unruhig. „Ich sagte: Wer wäre Ihrer Ansicht nach der beste Kanzler oder die beste Kanzlerin?“ Ich warte noch einen klitzekleinen Augenblick, es ist einfach zu prickelnd, und dann fällt wie ein wuchtiger Hammerschlag mein Urteil.

So fühlt sich Macht an!

Büb Käzmann alias Markus Höffer-Mehlmer ist Kabarettist und lebt gerne in Mainz (www.bueb-kaezmann.de)