Mainz

Kann das weg?

Die immer kürzer werdenden Tage laden dazu ein, aufzuräumen und wegzuschmeißen. In vielen Haushalten heißt’s jetzt: „Raus damit!“, was die Entsorgungsbetriebe mit „Sperrmüll“ und die Chinesen mit „Feng Schui“ übersetzen.

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Vielleicht drängen uns unsere Gene, rechtzeitig vor den Winterstürmen Ballast abzuwerfen oder wir wollen Platz schaffen für all die Weihnachtsgeschenke. Manchmal sollte man diesem Impuls aber widerstehen.

Wissen Sie, was ein Vertiko ist? Es hat zwei Türen, eine Schublade und ist laut Wikipedia ein „vertikal ausgerichtetes Behältnismöbel“, im Unterschied zum Bett, das ja eher horizontal ausgerichtet ist und das man nur mit einem gewissen Unwohlsein als „Behältnismöbel“ bezeichnen würde. Jedenfalls steht so ein Vertiko in meinem Keller.

Ursprünglich hat es wohl mal meinen Großeltern gehört. In den 50er-Jahren hat ein Schreiner die geschnitzten Verzierungen abgesägt, Furnier auf die Sägewunden geklebt und die Türfüllungen mit den Jugendstilblumen nach innen gedreht. Man hatte es gern ohne Geschnörkel und pflegeleicht. Das Wohnideal war eine Mischung von Feng Shui und Resopal.

In den Siebzigern schleppte ich das Behältnismöbel aus dem Werkstattkeller, wohin es mittlerweile zugunsten noch glatterer Artgenossen verbannt worden war, in meine erste eigene Wohnung. Ich drehte die Jugendstilblumen wieder nach außen und forschte nach den abgesägten Schnitzereien, die aber wohl, wie so vieles in den Fünfzigern, unserem Ofen als Speise gedient hatten. Ich war fassungslos. Das war Barbarei!

Im Moment diskutiert Mainz, was es mit seinem Rathaus anstellen soll, dieser großen, vertikal ausgerichteten Rheinufermöblierung. Ein Schreiner allein wäre da ein bisschen überfordert. Die große Frage ist jetzt: Ist das Kunst oder kann das weg? Es gibt einige, die sich hier gern ihren Kindheitstraum erfüllen würden: Einmal auf dem Bagger sitzen und dann mit Karacho die dicke Kugel ins Gemäuer donnern lassen!

Nach meinen Vertiko-Erfahrungen kann ich nur warnen: Vorsicht!

Büb Käzmann alias Markus Höffer-Mehlmer ist Kabarettist und lebt gerne in Mainz (www.bueb-kaezmann.de)