Herborn

Vor 25 Jahren: Auf Herborns Straßen brannte es lichterloh

Die Bundesstraße führt kilometerlang hinab, vorbei an einem Schild mit der Warnung „Gefährliche Gefällestrecke nach Herborn“. Es steht dort, weil am 7. Juli 1987 ein Tanklastzug mit versagenden Bremsen den Berg hinunterraste und in der mittelhessischen Kleinstadt ein Inferno auslöste. Fünf Menschen starben darin.

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Herborn. Die Bundesstraße führt kilometerlang hinab, vorbei an einem Schild mit der Warnung „Gefährliche Gefällestrecke nach Herborn“. Es steht dort, weil am 7. Juli 1987 ein Tanklastzug mit versagenden Bremsen den Berg hinunterraste und in der mittelhessischen Kleinstadt ein Inferno auslöste. Fünf Menschen starben darin, ein Opfer erlag vor Schreck einem Herzinfarkt, 38 Herborner Bürger erlitten erhebliche Verletzungen.

Eine ganze Häuserzeile wurde zur schwarzen Ruinenlandschaft. Die Katastrophe jährt sich jetzt zum 25. Mal. In Herborn wird es keine große offizielle Gedenkfeier geben. So hat man es hier schon immer gehalten.

„Das ist ein Wunsch der Menschen, die unmittelbar von dem Unglück betroffen waren, und auch des größten Teils der Bevölkerung. Sie wollen ein stilles Gedenken“, sagt Herborns Bürgermeister Hans Benner (SPD). Allerdings wurde vor Kurzem eine Gedenkplakette an einem der wiederaufgebauten Häuser angebracht. Der Rathauschef sagt, dass auch ohne Feierlichkeiten der Unfall nicht vergessen wird. „Er ist in unsere Geschichte eingemeißelt.“ Die Katastrophe löste eine bundesweite Debatte über die Sicherheit von Lastwagen aus, Standards wurden erhöht. Und sie hat den Weg nach Herborn verändert: Die abschüssige Einfallstraße wurde sukzessive entschärft. Mehrere Schilder warnen vor dem 8-prozentigen Gefälle.

Es gibt eine Notfallspur, in die Lkw mit glühenden Bremsen fahren können, außerdem Schikanen und eine Umleitung über die Autobahn. Lkw mit mehr als 7,5 Tonnen dürfen gar nicht mehr auf der steilen Strecke in die Innenstadt fahren. Tun sie es doch, enden sie an einem der engen Betonhindernisse. Dafür hat auch der frühere Polizeichef von Herborn, Joachim Drozella, gekämpft.

Er kam zum Unfallort, als schon alles lichterloh brannte, wie der heute 69-Jährige erzählt. Eine Stunde zuvor war der mit mehr als 30 000 Litern Kraftstoff gefüllte Lastwagen in die Innenstadt gerauscht und beim Rechtsabbiegen vor einem Eiscafé umgekippt. Das Fahrzeug wurde aufgerissen, der Treibstoff floss auf die Straße, in die Kanalisation und in das Flüsschen Dill. Nach wenigen Minuten kam es zur Explosion. Sogar auf dem Fluss erhob sich „eine Feuerwand, die war zwei Stockwerke hoch“, erzählt Pensionär Drozella. Er habe nur noch agiert: Überblick behalten, gemeinsam mit den Kollegen von Feuerwehr und Polizei den Einsatz koordinieren.

Drozella war mit anderen Behördenvertretern daran beteiligt, die Gefällestrecke vor der Stadt Herborn nach dem Unglück sicherer zu machen, wie er sagt. Erst kam die Nothaltespur, doch nicht jeder Lkw nutzte sie – und es passierte wieder ein Unfall. Ein Lastwagen krachte im Jahr 1992 lediglich wenige Meter vor der Unglücksstelle von 1987 in ein Haus. Dann wurde mit Schikanen und der Umleitung nachgebessert. Diese sei „die letzte Absicherung für die geschockten Herborner“ gewesen.

Der schwere Unfall gehörte in Drozellas 42 Dienstjahren zu den größten Einsätzen. Rückblickend sagt der Pensionär aus heutiger Sicht: „Das Ereignis prägt einen nicht, aber es beeindruckt einen. Wie alles verblasst auch diese Erinnerung, ganz vergessen tut man es aber nicht.“

Von Carolin Eckenfels