Rheinland-Pfalz

Viele Kommunen wollen ihre Helfer behalten

Ein-Euro-Jobber als Killer für reguläre Arbeitsplätze? Unbrauchbares Instrument der Arbeitsmarktpolitik? Der Bundesrechnungshof hat diesem Modell ein extrem schlechtes Zeugnis ausgestellt. Wir haben in den Städten und Gemeinden nachgehört, was man dort von den Ein-Euro-Jobbern hält – und von der Kritik der obersten Rechnungsprüfer.

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Von unseren Reportern

Rheinland-Pfalz – Ein-Euro-Jobber als Killer für reguläre Arbeitsplätze? Unbrauchbares Instrument der Arbeitsmarktpolitik? Der Bundesrechnungshof hat diesem Modell ein extrem schlechtes Zeugnis ausgestellt. Wir haben in den Städten und Gemeinden nachgehört, was man dort von den Ein-Euro-Jobbern hält – und von der Kritik der obersten Rechnungsprüfer.

Im Kreis Neuwied sind zurzeit 620 Arbeitsgelegenheiten besetzt. Laut Arge-Chef Alois Müller hat deren Beirat bereits die Anzahl auf 650 „gedeckelt“, damit es keine ungewünschten Auswirkungen auf den ersten Arbeitsmarkt gibt. Insgesamt ist die Tendenz bei den Arbeitsgelegenheiten im Kreis Neuwied „deutlich rückläufig“. Das Arbeitsspektrum reicht vom Vorlesen für Demenzkranke als zusätzliches Angebot zur Pflege über Reinigungsarbeiten in den Gemeinden – die laut Müller nicht als Konkurrenz zu Gartenbaufirmen und Gemeindearbeitern zu sehen sind – bis hin zu Bauhoftätigkeiten oder der Pflege von Trockenmauern an unbewirtschafteten Weinbergen.

Und der Arge-Chef ergänzt: „Die überwiegende Anzahl der Arbeitsgelegenheiten sind mit sozialpädagogischen Kräften kombiniert, die den Ein-Euro-Jobber etwa in Sozialkunde fortbilden, damit dieser sich im gesellschaftlichen Leben besser zurechtfindet.“ Im Kreis Neuwied konnten acht bis zehn Prozent der Ein-Euro-Jobber binnen zwei Monaten auf dem ersten Arbeitsmarkt integriert werden. Die Agentur für Arbeit rechnete sogar aus, dass innerhalb von 18 Monaten jeder vierte Ein-.Euro-Jobber eine reguläre Arbeit bekam. Müllers Fazit: „Die pauschale Darstellung, wonach Ein-Euro-Jobs Arbeitsplätze kaputtmachen und davon abgesehen völlig sinnlos seien, kann ich nicht nachvollziehen.“

Die Stadt Mainz beschäftigt nur wenige Ein-Euro-Jobber. Derzeit sind vier Stadtteilhelfer 30 Stunden pro Woche unterwegs. Ihr Aufgabenbereich: Mithilfe beim Auf- und Abbau von Veranstaltungen, auf Sauberkeit achten, offenen Auges durch den Stadtteil gehen, um Missstände wie lockere Platten auf Gehwegen oder größere Schlaglöcher zu melden. „Es gibt einen Konsens zwischen Verwaltung und Personalrat, dass Ein-Euro-Jobber nur Arbeiten erledigen, die nicht durch Vollzeitkräfte abgedeckt werden“, sagt Pressesprecherin Ellen König. „Es muss gewährleistet sein, dass sie niemandem die Stelle streitig machen.“

Von Januar bis September 2010 waren im Bereich Remagen, Sinzig und Bad Breisig (Kreis Ahrweiler) 82 neue Ein-Euro-Jobber verzeichnet, darunter im Tierheim Remagen und bei den Naturfreunden Schwanenteich im Sinziger Stadtteil Bad Bodendorf. Sechs von den 82 wurden danach in sozialversicherungspflichtige Jobs vermittelt. Alle Maßnahmen dieser Art laufen zum Dezember aus, da das Konzept komplett überarbeitet werden soll. Alle Arbeitgeber sind aufgefordert worden, neue Anträge zu stellen – Vereine, Jugendzentren, Pflegeheime, kirchliche Einrichtungen, Schulen und Kindergärten.

Anders als der Bundesrechnungshof bewertet auch die Stadt Idar-Oberstein die Ein-Euro-Jobs als „Erfolgsmodell, von dem beiden Seiten profitieren“, so Amtsleiter Michael Ziegel. Derzeit beschäftigt die Stadt 16 Ein-Euro-Jobber: „Ohne die Ein-Euro-Jobber könnte die Stadt mehrere soziale Projekte gar nicht anbieten.“ Sie arbeiten im Internetcafé der neuen Realschule plus, in der Skaterhalle oder in der Jugendarbeit. Nach Ablauf ihrer Maßnahme wurde bereits eine Handvoll Ein-Euro-Jobber von der Stadt übernommen. „Das freut uns besonders“, sagt Ziegel. Neben dieser Perspektive sei es für die Jobber vor allem wichtig, wieder eine Aufgabe und einen Platz zu haben, an dem sie gebraucht werden. Sein Fazit: „Positiv für die Stadt, aber noch positiver für die Menschen, die dadurch Arbeit gefunden haben.“

Auch an der Mosel werden Ein-Euro-Jobber geschätzt. In der Verbandsgemeinde Ulmen sind derzeit sechs im Einsatz, drei davon in einem Projekt zur Vernichtung giftiger Pflanzen. Man achte darauf, dass es gemeinnützige Arbeiten sind, die nicht von einem Handwerker erledigt werden können. Ulmen setzt weiter auf Ein-Euro-Jobber, spätere Festanstellungen hingegen seien schwierig. In der VG Zell sind drei Ein-Euro-Jobber im Einsatz in der VG Treis-Karden zurzeit einer. In der VG Cochem tun sechs Ein-Euro-Jobber Dienste wie das Beschildern und Freischneiden von Wanderwegen oder die Renaturierung von Bachläufen. Die Stadt Cochem übernahm einen Ein-Euro-Jobber befristet im Bauhof, ein weiterer arbeitet jetzt bei der VG.

In den VGs Montabaur und Westerburg im Westerwaldkreis sind zurzeit keine Ein-Euro-Jobber beschäftigt, weil die Genehmigungsverfahren komplizierter geworden ist. Aus früheren Maßnahmen haben aber drei Mitarbeiter einen festen Job gefunden. In der VG Bad Marienberg sind sechs Helfer im Einsatz, darunter bei der Rekultivierung von Sumpfbrachland. Aus früheren Maßnahmen wurden in der VG Bad Marienberg fünf Ein-Euro-Jobber in befristete, bezuschusste Arbeit übernommen, einer bekam einen unbefristeten Vertrag. Hausaufgabenbetreuung, Jugendraum, Freizeitgestaltung im Kinderhort, Archiv: Das sind die Aufgaben, mit denen die zurzeit drei Ein-Euro-Jobber in der VG Hachenburg beschäftigt sind. Einige nutzten den Dienst als Sprungbrett in die reguläre Beschäftigung.

Bei der Kreisverwaltung Altenkirchen sind zurzeit fünf von 18 Ein-Euro-Stellen besetzt, überwiegend Hausmeisterhelfer in Schulen, die den fest angestellten Hausmeister unterstützen. Die VG Altenkirchen verzeichnet aktuell 33 Ein-Euro-Jobber, davon 22 beim Bauhof und acht in kommunalen Kitas. Einer Frau gelang der Sprung auf eine feste Kita-Stelle.

Die Arge Mayen-Koblenz beschäftigt zurzeit knapp 600 Ein-Euro-Jobber – ausschließlich für zusätzliche Arbeiten „im öffentlichen Interesse“, wie Geschäftsführer Rolf Koch betont. „Wir haben keinen Ärger vor Ort“, sagt er und bedauert die undifferenzierte Diskussion über Ein-Euro-Jobber. 2009 konnte die Arge 153 Menschen in sozialversicherungspflichtige Jobs vermitteln. Zwölf begannen anschließend eine Ausbildung, 64 machten einen Minijob weiter. Zwei machten sich selbstständig.

Auch im Rhein-Lahn-Kreis sind Ein-Euro-Jobber gefragt. 24 sind für die VG Nastätten tätig – als Helfer in Kindergärten, Museen, Schulen und im Bauhof. Wie dort, so achtet man auch in der VG Hahnstätten darauf, dass die zurzeit vier Ein-Euro-Jobber nur gemeinnützige Arbeiten erledigen. VG-Bürgermeister Volker Satony: „Wichtig ist, dass die Ein-Euro-Jobber überhaupt in ein Arbeitsverhältnis geführt werden. Viele würden sonst nur zu Hause rumsitzen.“