Köln

Übergriffe von Köln: Länder haben bei der Polizei gespart

Länder haben bei der Polizei gespart Foto: dpa

Die Übergriffe von Köln werfen viele asylrechtliche Fragen auf, schüren gesellschaftliche Vorurteile und zwingen die Politik jetzt zum Handeln. Dazu die wichtigsten Fragen und Antworten.

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Von Michael Bröcker, Reinhard Kowalewsky und Birgit Marschall

Sind Flüchtlinge krimineller?

Nein. Pauschal lässt sich das nicht belegen. Nach einem Lagebild des Bundeskriminalamts (BKA) ist die Kriminalität bei Flüchtlingen unterproportional zum Anstieg der Zuwanderung gewachsen. Dazu erklärte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU): „Insgesamt zeigen uns die derzeit verfügbaren Tendenzaussagen, dass Flüchtlinge im Durchschnitt genauso wenig oder oft straffällig werden wie Vergleichsgruppen der hiesigen Bevölkerung.“ Auch der Kriminologe Christian Walburg kommt in einem Gutachten über den Zusammenhang zwischen Migration und Straftaten zu dem Schluss, dass erwachsene Einwanderer „insgesamt eher nicht vermehrt durch Straftaten“ auffielen.

Welche Folgen hat Köln für die Landespolitik?

Heute muss sich NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) in einer Sondersitzung dem Innenausschuss des Landtags erklären und einen Bericht zur Lage in der Silvesternacht vorlegen. Als Konsequenz hat NRW-Polizeigewerkschaftschef Arnold Plickert drei Forderungen formuliert. Zum Schutz der Kollegen müssten die „Bodycam“, eine kleine Kamera auf der Schulter, und eine Mindeststrafe in Höhe von drei bis sechs Monaten für Täter, die Polizisten, aber auch Rettungssanitäter oder Feuerwehrleute in Dienst attackieren, eingeführt werden. Zudem fordert Plickert bei der Neubesetzung des Postens als Kölner Polizeipräsident, dass der Nachfolger von Wolfgang Albers nicht nach Parteizugehörigkeit, sondern rein nach seiner Polizei-Expertise ausgewählt wird.

Wie oft werden in Deutschland Frauen Opfer sexueller Gewalt?

Die Zahl der polizeilich erfassten schweren Vergewaltigungen und schweren sexuellen Nötigungen liegt bei rund 8000 Fällen im Jahr. Dies ergibt die Statistik des Bundeskriminalamts. Allerdings gehen die meisten Experten von einer sehr hohen Dunkelziffer aus. Dafür sorgt auch, dass die Täter bei sexueller Gewalt überwiegend Verwandte, Freunde und Bekannte sind. Drei von zehn Tatverdächtigen bei bekannt gewordenen Vergewaltigungen und sexuellen Nötigungen sind laut BKA nicht deutsch. Nur 11,4 Prozent der ausländischen Tatverdächtigen sind Asylbewerber, 24,9 Prozent Türken. Sie sind aber auch die mit Abstand größte Immigrantengruppe in Deutschland. In Berlin kamen 2014 auf 100 000 Einwohner 20 Vergewaltigungen und sexuelle Nötigungen. Auf Rang zwei liegt Köln mit 19,2 Fällen.

Waren die Übergriffe an Silvester koordiniert?

Sicher ist, dass sich die große Zahl von jungen, männlichen Immigranten in der Silvesternacht am Kölner Dom oder in Hamburg auch über soziale Netzwerke verabredet hat. Die Justizbehörden müssen nun klären, ob über die sozialen Netzwerke gezielt verabredet wurde, Straftaten wie insbesondere die sexuellen Übergriffe auf Frauen zu begehen, oder ob die Immigranten sich nur zum Feiern und/oder Randalieren verabredeten.

Wann kann ein straffälliger Asylbewerber ausgewiesen werden?

Wer als Nicht-EU-Bürger zu einer Freiheitsstrafe ab einem Jahr ohne Bewährung verurteilt wurde, kann nach einer Einzelfallprüfung ausgewiesen werden, wenn er in seinem Heimatland nicht mit Tod und Folter bedroht ist. Dies gilt in der Regel für die nordafrikanischen Staaten Marokko, Algerien, Tunesien und andere. Die Anerkennungsquote von Asylbewerbern aus diesen Ländern liegt bei unter 1 Prozent. Anders sieht es bei Herkunftsländern wie Syrien aus, wo die Anerkennungsquote bei fast 100 Prozent liegt: Hier muss die Freiheitsstrafe drei Jahre und mehr betragen, bevor eine Ausweisung geprüft wird. Sie ist in der Regel nicht möglich, weil angenommen wird, dass das Leben des Straftäters in seinem Heimatland bedroht ist. Dies schreibt die Genfer Flüchtlingskonvention vor.

Welche Änderungen schlagen Politiker vor, um Straftäter künftig leichter abschieben zu können?

Die Union will nun Asylbewerbern den Schutzstatus versagen, wenn sie während des Asylverfahrens zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden, die auch nur zur Bewährung verhängt wurde. Kanzlerin Angela Merkel sagte, das Recht auf Asylverfahren könne verwirkt werden, wenn Strafen ausgesprochen würden – auch schon auf Bewährung. Absehbar ist auch, dass die Drei-Jahres-Schwelle für Ausweisungen straffälliger Asylbewerber aus bestimmten Krisenländern abgeschafft wird. Bundesjustizminister Maas zeigte sich offen für ein schärferes Vorgehen gegen straffällige Migranten und will darüber mit Innenminister Thomas de Maizière (CDU) beraten. Allerdings dürfte der Wunsch der Union, Asylbewerber schon bei jeder Freiheitsstrafe abzulehnen, mit den Regeln der Genfer Flüchtlingskonvention nicht vereinbar sein.

Warum hat der Rechtsstaat generell so oft ein Problem beim Vollzug?

Polizei und Justiz sind Sache der Länder – und die haben bis auf Bayern bei Polizei und Justiz gespart. Gerade die Polizei ist angesichts der Flüchtlingskrise chronisch unterbesetzt. Schuld daran ist der Sparkurs der Länder, die ab 2020 die Vorgaben der Schuldenbremse im Grundgesetz einhalten müssen. Der Bund stockt die Zahl der Bundespolizisten bis 2018 um 3000 auf. Weil die Polizisten erst ausgebildet werden müssen, können pro Jahr höchstens 1000 Stellen neu besetzt werden. Die Stellenaufstockungen in den Ländern fallen viel kleiner aus. Auch bei der Justiz gehen Aufstockungen nur schleppend voran. Im Ergebnis werden viele weniger schwerwiegende Delikte wie Diebstahl, Wohnungseinbrüche oder auch Nötigungen nicht geahndet oder Strafverfahren eingestellt.