Richter hält Fall für „nicht so schwer lösbar“

Axel Wendler, Richter am Oberlandesgericht Stuttgart, hält den Prozess um TV-Moderator Kachelmann „für möglicherweise gar nicht so schwer lösbar".

Lesezeit: 1 Minute
Anzeige

Axel Wendler, Richter am Oberlandesgericht Stuttgart, hält den Prozess um TV-Moderator Kachelmann „für möglicherweise gar nicht so schwer lösbar„.

Der auf Wahrheitsfindung in Strafverfahren spezialisierte Jurist sagt: „Es handelt sich um den Vorwurf der Vergewaltigung. Aussage steht gegen Aussage. Deshalb wird es in erster Linie nur um die Frage gehen, welche Aussage wahr ist.“

Für den 58-jährigen Juristen, der an der Universität Tübingen Aussagepsychologie lehrt, ist es wichtig, dass Richter trotz subjektiver Wertungen versuchen, eine neutrale Position einzunehmen. „Ein seriöser Geschäftsmann suggeriert vielleicht durch sein Auftreten Vertrauenswürdigkeit, sagt aber dennoch nicht unbedingt die Wahrheit.„ Es sei wichtig, Zeugen zuerst lang ungestört reden zu lassen, damit sie unbeeinflusst durch Fragen ihre Version des Geschehens mitteilen. „Dabei ist es für mich immer interessant, wenn ungewöhnliche oder vermeintlich unbedeutende Details und Nebensächlichkeiten geschildert werden, da dies ein Indiz dafür ist, dass die Person ihre Geschichte nicht erfunden hat. Die Realität ist immer voller kleiner Besonderheiten, die aber nur schwer zu erfinden sind.“ Die Schilderung von Gefühlen, Gedanken und für den Prozess belanglosen Dingen gilt in der Aussagepsychologie als wichtiges Kriterium, ob jemand die Wahrheit sagt. „Auch kann ein Lügner in der Regel nur chronologisch erzählen, damit er nicht seinen roten Faden verliert", sagt der Richter.

Mit seiner Arbeit hat Wendler 2008 eine Angeklagte vor einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe bewahrt. In dem Prozess vor dem Landgericht Oldenburg wies er nach, dass eine 48-Jährige zu Unrecht von ihrer 36-jährigen Nichte beschuldigt wurde, im Jahr 1981 ihren kleinen Sohn erdrosselt zu haben. Die Anschuldigungen galten anfangs als glaubhaft. Die Nichte schilderte jedoch Wendlers Analyse nach lediglich sogenannte Scheinerinnerungen.

Christian Jung