RZ-KOMMENTAR: Wie in grauer Vorzeit

Von Rena Lehmann

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Die öffentlichen Schlammschlachten der vergangenen Wochen und Monate um Kachelmann und sein potenzielles Opfer haben gezeigt, dass es mit der Fortschrittlichkeit des homo sapiens doch nicht so weit her ist, wir wir gern glauben. Die Kachelmann-Geschichte hatte von Anfang an alles, was unsere niederen Instinkte auf den Plan ruft: Prominenz, Sex, Verbrechen. An den Pranger mit ihm!, rief eine längst verstummt geglaubte Stimme mitten aus der zivilisierten Hochkultur dem Volke zu. Jörg Kachelmann und seine Exfreundin stehen dort nun abwechselnd wie einst in grauer Vorzeit die vermeintlichen Hexen auf dem Scheiterhaufen. Nur die Formen der Vorverurteilung haben sich geändert – heute wird im Internet und mithilfe anderer Medien gewettert, beschuldigt, verleumdet. Das ändert nichts am Ergebnis. Denn haben nicht auch Sie sich längst Ihre Meinung zu Kachelmann gebildet? Es war schwierig, wenn nicht unmöglich, es nicht zu tun – nach allen Details, die über sein Intimleben bekannt wurden. Die Richter, deren Auftrag es ab heute ist, endlich die Wahrheit in diesem Trauerspiel herauszufinden, sind nicht zu beneiden. Sie müssen alles Vermeintliche, Gemutmaßte und Behauptete der vergangenen Wochen ausblenden, Fakten analysieren und den Promi-Status beiseitelassen. Nach dieser Vorgeschichte eine nahezu übermenschliche Aufgabe.