Berlin

Mit dem Terror leben – geht das?

Spezialkräfte der Polizei bereiten ihren Einsatz nach dem Bombenanschlag in Ansbach vor. Muss man sich an solche Bilder gewöhnen?
Spezialkräfte der Polizei bereiten ihren Einsatz nach dem Bombenanschlag in Ansbach vor. Muss man sich an solche Bilder gewöhnen? Foto: dpa

Lernen, mit dem Terror zu leben. Wie geht das konkret? Wozu Amoklauf und Selbstmordanschlag unmittelbar führen, wird in den nächsten Tagen auf dem Festspielhügel von Bayreuth zu erleben sein: Leibesvisitationen und Taschenkontrollen statt Schlendern über den roten Teppich.

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Von unserem Berliner Korrespondenten Gregor Mayntz

Und auch bei der Vorbereitung des Oktoberfestes mit Millionen Gästen denken die Veranstalter nun schon daran, Rucksäcke generell zu verbieten. Es ist absehbar, dass die Hersteller und Vermieter von Körperscannern volle Auftragsbücher bekommen und viele Veranstaltungen nur nach Durchschreiten eines Metalldetektors zugänglich sind. Aber das Leben mit dem Terror geht in anderen Gesellschaften noch viel tiefer.

Beispiel Israel. Für den mitteleuropäischen Badegast sind die Bilder vom Strandleben außerordentlich gewöhnungsbedürftig. Da schlendern zwei junge Frauen barfuß und im Bikini entspannt an den Wellen vorbei. Doch statt einer Badetasche hängt bei jeder eine Utzi über die Schulter, eine schussbereite Maschinenpistole. Als die Attentate mit Gummibooten vom Meer her zunahmen, war das die Antwort: Militärangehörige hatten auch in ihrer Freizeit jederzeit ihre Waffe dabei.

Das Straßenbild in Israel ist von Sicherheitskräften geprägt

Das zieht sich durch den gesamten israelischen Alltag. Weswegen so viele Schilderungen von terroristischen Attacken bereits nach wenigen Minuten mit dem Tod des Täters enden. Bei Terrorwarnlagen wie in diesem Jahr in der Karwoche in Jerusalem wird das Straßenbild von schwer bewaffneten Polizisten in Schutzwesten geprägt. Zeitweise war ihre Zahl höher als die der Pilger. Spontane Durchsuchungen Verdächtiger zu jeder Zeit und an jedem Ort eingeschlossen. Und wer zum Ben-Gurion-Flughafen will, muss bereits im Abstand von drei Kilometern die erste kritische Kontrolle durchfahren. So nah wie in Istanbul oder Brüssel käme in Israel vermutlich kein Attentäter an die Fluggäste heran. Zudem legen Israels Sicherheitsbehörden großen Wert auf ein Täter-Profiling. Wer Merkmale typischer Attentäter aufweist, sollte sicherheitshalber stundenlange Untersuchungen, Nachfragen und Gepäckkontrollen einkalkulieren.

Abgeriegelte Straßen, gepanzerte Fahrzeuge, Polizisten und Soldaten an fast jeder Kreuzung, peinlich genaue Personenkontrollen – das war die Situation in den 70er-Jahren in Belfast, als katholische Terroristen und protestantische Terroristen mit der britischen Armee mittendrin einen erbitterten Bürgerkrieg führten. Straßensperren mit Panzern errichteten die Alliierten, um auf dem Balkan wieder Ordnung einkehren zu lassen.

Was darf die Bundeswehr in Deutschland ?

Auch in Deutschland wird vermehrt über den Einsatz der Armee gesprochen. Der Streit darüber gehört schon zum Dauerbrenner in der politischen Debatte. So versetzte der Generalinspekteur vergangenen Freitag rund 100 Feldjäger in Bereitschaft, damit sie jederzeit zur Unterstützung abgerufen werden konnten. Während die SPD verärgert darauf reagiert, sieht die Union in der über Stunden völlig unklaren Situation, die sich über eine große Fläche im Großraum München hätte zuspitzen können, die Notwendigkeit, auch Soldaten einsetzen zu können, wenn die Polizei überfordert ist. Im gerade erst verabschiedeten Weißbuch zur Sicherheitspolitik haben sich die Koalitionspartner ohnehin auf den Kompromiss verständigt, dass die Bundeswehr bei größeren Anschlägen auch ohne Grundgesetzänderung eingesetzt werden kann.

Eine Stärkung der Sicherheitskräfte scheint ohnehin konsensfähig zu sein. Bundesinnenminister Thomas de Maizière kündigte jetzt an, die Präsenz der Bundespolizei an Bahnhöfen und Flughäfen zu erhöhen. Die Länder könnten ähnlich verfahren. Die Schaffung von zusätzlichen Stellen bei der Polizei hält nicht nur die Union für sinnvoll. Auch die SPD hat sich für 3000 zusätzliche Bundespolizisten ausgesprochen.

Die auffällige Häufung von Gewalttaten durch Menschen mit ausländischen Wurzeln in Bayern lässt nicht auf mangelnde Integrationserfolge des Freistaats schließen. Im Gegenteil: Bayern liegt im Ländervergleich mit seinen Integrationsleistungen häufig weit vorn, insbesondere, wenn es um die Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt geht. Studien zeigen: Bayern hat bundesweit nicht nur die höchste Erwerbsquote bei Menschen mit Mi-grationshintergrund. Im Freistaat sind Migranten auch seltener arbeitslos als in allen anderen Bundesländern.
„Bayern steht, was die Integration von Ausländern insgesamt angeht, auf jeden Fall besser da, als die öffentliche, mitunter ausländerfeindlich klingende Rhetorik bayerischer Politiker vermuten lässt“, sagte Holger Bonin, Migrations- und Arbeitsmarktexperte am Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA). Zwar würden Ausländergesetze in Bayern vergleichsweise strikter angewendet. So sei etwa die Quote der Geduldeten im Vergleich mit anderen Ländern etwas geringer, die der Abschiebungen etwas höher. Wenn ein Flüchtling jedoch anerkannt worden sei, habe er im Freistaat meistens bessere Chancen auf Ausbildung, Weiterbildung oder eine Anstellung als in den meisten anderen Ländern.

Bayern sticht bei Integration positiv hervor

Dies zeigt auch das Integrationsmonitoring der Länder. Demnach liegt die Quote junger Migranten, die einen Ausbildungsplatz erhalten, in Bayern mit 15,9 Prozent aller Menschen ihres Jahrgangs deutlich höher als im Bundesschnitt (11,7 Prozent). Zum Vergleich: Unter deutschen Jugendlichen erhalten 27,7 Prozent einen Lehrplatz. In Bayern machen Kinder mit Migrationshintergrund auch häufiger einen Schulabschluss als im Bundesdurchschnitt.

Besonders positiv sind die Integrationserfolge am Arbeitsmarkt dank der starken Wirtschaft. Die Erwerbstätigenquote der Migranten liegt in Bayern mit knapp 71 Prozent deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 64,5 Prozent. In Bayern sind nur 5,5 Prozent der nicht deutschstämmigen Bevölkerung arbeitslos, bundesweit sind es dagegen 8,4 Prozent, wie aus dem Bericht der Länder hervorgeht. In Bayern sind deshalb auch nur 8,5 Prozent der Migranten von Hartz IV abhängig, bundesweit sind es 17 Prozent. mar