Mainz

Gesundheit: Ärzte verordnen viel zu häufig Antibiotika

Deutlich mehr Menschen in Rheinland-Pfalz haben sich in der Vergangenheit mit Krankenhauskeimen infiziert. Laut einer Erhebung der Techniker Krankenkasse (TK) ist die Zahl der stationär behandelten Erkrankungen im Jahr 2011 gegenüber 2010 um 11,6 Prozent gestiegen. In Deutschland liegt die Zahl der Infektionen laut TK bei bis zu 600 000.

Lesezeit: 2 Minuten
Anzeige

Die Zahlen gelten insbesondere deshalb als besorgniserregend, weil es sich um Erreger handelt, die Multiresistenzen aufweisen. Eine Infektion kann gerade für ältere oder schwächere Menschen dramatisch sein. Denn gegen solche resistenten Bakterien sind die meisten Antibiotika wirkungslos. Eine steigende Antibiotika-Gabe droht in diesem Zusammenhang zum Problem zu werden. „Es ist nach wie vor so, dass in vielen Fällen Antibiotika verschrieben werden, obwohl es sich um eine virale Infektion handelt“, sagt Susanne Glasmacher vom Robert Koch-Institut in Berlin.

So handelt es sich bei der klassischen Grippe um eine virale Infektion und nicht um eine bakterielle, die mit Antibiotika behandelt werden kann. Zum einen werden laut Glasmacher zu häufig Breitband-Antibiotika und keine spezifischen Präparate verschrieben, zum anderen zu oft sogenannte Reserveantibiotika verordnet.

Solche Medikamente gelten im Kampf gegen schwerere Erkrankungen als besonders effizient. „Dazu kommt die Gefahr, dass die ärztlich verordnete Einnahme nicht vollständig eingehalten wird“, sagt Glasmacher. Wird ein Antibiotikum vorzeitig abgesetzt, können sich leicht Resistenzen bilden. Gerade in den vergangenen Wochen war in den Apotheken eine stärkere Nachfrage nach Antibiotika zu spüren.

„Bei Kindern gehen viele Ärzte sehr bewusst und zurückhaltend mit der Verschreibung um“, sagt Annkathrin Fischer, Sprecherin des Landesapothekerverbandes, „bei Erwachsenen sieht es aber anders aus.“ Laut dem Gesundheitsreport der TK sind die Verordnungszahlen bei Antibiotika in Rheinland-Pfalz erheblich gestiegen. Laut Prof. Roland Linder vom Wissenschaftlichen TK-Institut Wineg liegt die Steigerung auch daran, dass prophylaktisch bei viralen Infektionen Antibiotika verordnet werden, um Superinfektionen zu vermeiden, dass also bakterielle Infekte zu viralen hinzukommen.

„Die Menschen haben oft keine Zeit, etwas auszukurieren.“ Das Problem ist, dass die Resistenzen gegen Antibiotika auf diese Weise zunehmen können. „Es gibt die ersten Fälle weltweit, dass Menschen gegen alle Antibiotika resistent sind“, sagt Linder. Und: „In der Forschung für neue Präparate ist die Industrie nicht mehr aktiv.“

Der Grund hierfür sind die Kosten, Linder rechnet aufgrund der komplexen Entwicklung mit Kosten von 400 bis 500 Millionen Euro pro Antibiotikum. Bei Augentropfen hat auch Apothekerin Fischer die ersten Probleme mit ausgeschöpften Therapiemitteln festgestellt. „Bei Bindehautentzündungen werden oft Antibiotika eingesetzt, aber es müsste nicht unbedingt immer sein.“

Von unserem Redakteur Volker Boch