Rheinland-Pfalz

Infektionen teils lebensgefährlich: Krankenhäuser kämpfen gegen antibiotikaresistente Bakterien

Ausgemachter Übeltäter: Der methicillinresistente Staphylococcus aureus (MRSA) ist ein weit verbreiteter Keim, der auf der Haut sowie den Schleimhäuten der oberen Atemwege siedelt.
Ausgemachter Übeltäter: Der methicillinresistente Staphylococcus aureus (MRSA) ist ein weit verbreiteter Keim, der auf der Haut sowie den Schleimhäuten der oberen Atemwege siedelt. Foto: dpa

Es sollte ein Routineeingriff sein, für den sich Alfons Görg unters Messer legte. Doch infolge seiner Bypass-Operation an einem Westerwälder Krankenhaus musste dem heute 75-Jährigen ein Bein amputiert werden. Die Ursache: Görg hatte sich mit dem sogenannten Krankenhauskeim MRSA infiziert (wir berichteten). Was sich liest wie ein Albtraum, gehört in deutschen Kliniken leider längst zur Wirklichkeit.

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Jedes Jahr stecken sich hierzulande rund 600 000 Patienten mit aggressiven Keimen an. Sie können lebensbedrohlich werden, weil die meisten Antibiotika gegen sie wirkungslos geworden sind.

Für einen gesunden Menschen ist MRSA kein Problem. Der methicillinresistente Staphylococcus aureus ist ein typischer Hautkeim, den ein Drittel der Bevölkerung mit sich trägt, ohne dass er krank macht. Die Bakterien siedeln sich auf der Haut oder auf Schleimhäuten – bevorzugt im Nasen-Rachen-Raum – an und bleiben in der Regel zunächst unbemerkt. Erst wenn es zu einer Infektion kommt, etwa wenn der Keim in die Blutbahn gelangt, kann er zu einer ernsthaften Bedrohung werden.

Besonders ältere oder kranke Menschen mit einem geschwächten Immunsystem zählen zur Risikogruppe. Auch nach Operationen, bei chronisch Kranken wie Diabetikern oder Patienten mit mehreren schweren Erkrankungen steigt das Infektionsrisiko. Statistisch gesehen sind rund 4 Prozent der Menschen in medizinischer Behandlung Träger eines Multiresistenten Erregers (MRE). Die Mehrzahl der Patienten, rund 70 bis 80 Prozent, bringt den Keim bereits mit. Etwa 20 Prozent stecken sich über das medizinische Personal, Mitpatienten, Besucher oder nicht sterile Gegenstände an.

Für Rheinland-Pfalz gibt es eine gute Nachricht: Im Land stagniert die Zahl der registrierten MRSA-Infektionen seit dem Jahr 2010 – im Gegensatz zum noch immer ansteigenden Trend bundesweit. Für das Jahr 2012 verzeichnete das Landesuntersuchungsamt (LUA) in Koblenz 156 MRSA-Patienten, 107 waren Männer. Die große Mehrheit der Betroffenen (105 Fälle) war älter als 70 Jahre und zählte damit zur Risikogruppe. Diese Stagnation bedeutet jedoch nicht, dass das Problem eingedämmt ist.

Denn die gemeldeten MRSA-Fälle sind laut LUA-Mitarbeiter Manfred Vogt „nur die Spitze des Eisbergs“: Einfache Besiedelungen von Patienten, die den Keim übertragen können, werden derzeit gar nicht erfasst, erklärt der Krankenhaushygieniker. Zudem ist MRSA zwar der bekannteste der Krankenhauskeime, jedoch längst nicht mehr der einzige.

Weitere multiresistente Erreger bereiten Mikrobiologen zunehmend Sorgen. Gegen bestimmte Darmkeime beispielsweise gibt es derzeit keine Behandlungsmöglichkeit. So kommt es, dass die Zahl der Menschen, die wegen Infektionen mit Klinikkeimen in rheinlandpfälzischen Krankenhäusern behandelt worden sind, nach Angaben der Ersatzkassen von 2010 auf 2011 um rund 11,6 Prozent gestiegen sind.Und: Die Keime werden immer aggressiver – und die Folgen für die Patienten gravierender.

Wie ernst man es in einer Klinik mit der Hygiene nimmt, ist für Patienten kaum zu erkennen. Ein bundesweites Transparenzsiegel gibt es nicht, lediglich regional unterschiedliche Qualitätssiegel, eine Art Selbstverpflichtung der Krankenhäuser zur Einhaltung eigener Hygienestandards. Bei den MRSAFällen, die registriert werden, wird nur der Wohnort des Patienten, nicht aber der Name der Klinik erfasst.

Ein Sammeln der Fälle nach dem Ort ihres Auftretens oder gar ein Klinikranking ist laut Klaus- Dieter Zastrow, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene in Berlin, in absehbarer Zeit nicht in Sicht. „Verstöße von Ärzten oder Pflegepersonal sind schwer zu überprüfen“, betont er und bemängelt: „Die Kontrollen durch die Gesundheitsämter müssen besser werden. Das medizinische Handeln, das zu Infektionen führt, wird so gut wie nicht überwacht.“ Mitarbeiter von Gesundheitsämtern begehen eine Klinik in der Regel einmal im Jahr und untersuchen sensible Bereiche wie Operationssäle, Intensivstationen und Klimaanlagen auf Keime. „Aber unsterile Instrumente sind die Ausnahme“, erklärt Zastrow. „Dass sich einer die Pfoten nicht wäscht, keinen Mundschutz trägt oder sich an die Nase greift, das kommt hunderttausendfach am Tag vor.“

Die Hälfte aller Klinikinfektionen gilt als vermeidbar. Die simpelste Vorbeugungsmaßnahme, Händewaschen, leuchtet jedem Kleinkind ein. Allerdings: „Eineinhalb Minuten lang Hände desinfizieren vor und nach jeder Behandlung – dafür fehlt oft schlicht die Zeit“, weiß der Landeshygieniker Manfred Vogt.

Die Einhaltung solcher einfachen Regeln erfordert viel Disziplin – und mehr Personal. So wird die Sicherheit von Patienten ein Kostenfaktor für Kliniken, die mit dem Gesundheitsrisiko oft falsch kalkulieren.

Zum Umgang mit multiresistenten Keimen hat das Kuratorium Deutsche Altershilfe einen Ratgeber erstellt, Bestellung: Tel. 0221/931 84 70 (6 Euro zzgl. Versand).

Kostenfreier Download: www.ku-rz.de/mreratgeber

Von unserer Redakteurin Nicole Mieding