Freigeben oder nicht? Bei Cannabis scheiden sich (noch) die Geister

Aufmacher Foto: michele.pautasso

Die Welt verabschiedet sich langsam von der Cannabisprohibition. In den Bundesstaaten Colorado und Washington darf man bestimmte Mengen Cannabis legal kaufen und konsumieren. Am 1. Juli ist Oregon dazugekommen, 2016 soll Alaska folgen. In Ecuador und Uruguay ist Kiffen auch legal, und in den Niederlanden, Spanien und Portugal ist es entkriminalisiert. Und in Deutschland?

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Das Thema wird hierzulande seit Jahren mal mehr, mal weniger stark diskutiert. Doch seit die ersten Bundesstaaten in den USA die sogenannte weiche Droge legalisiert haben, gewinnt die Debatte auch in der Bundesrepublik an Fahrt. Die Experten des Schildower Kreises, ein Zusammenschluss von Universitätsprofessoren, Kriminologen, Ärzten und Hanfaktivisten, glauben, dass es auch in Deutschland früher oder später eine Legalisierung von Cannabis geben wird. Vielleicht ist die Frage also weniger, ob eine Legalisierung oder Entkriminalisierung kommt, sondern vielmehr, wer sie durchsetzen wird und wann?

Die Grünen und die Linken werben längst für eine Legalisierung von Cannabis. Zuletzt sprach sich dann auch noch die FDP bei ihrem Parteitag dafür aus, Haschischrauchen unter strikten Auflagen zu erlauben. Die Grünen legten sogar einen Gesetzentwurf zu dem Thema vor. Demnach sollen Erwachsene künftig 30 Gramm Cannabis zum Eigenbedarf kaufen oder drei Cannabispflanzen anbauen und abernten können. Für Kinder und Jugendliche soll der Erwerb und Besitz vollständig verboten sein.

Teile der Union sind empört

In Teilen der Union stieß dieser Vorschlag auf Empörung und Ablehnung. In Teilen. Denn auch bei den Konservativen gibt es Abgeordnete, die ein Umdenken fordern. Joachim Pfeiffer (Waiblingen) zum Beispiel. Zusammen mit seinem Grünen-Kollegen Dieter Janecek (München) stellte er ein Papier vor, auf dem er sich zur Forderung einer regulierten Freigabe von Cannabis bekennt. „Zwischen 1 und 2 Milliarden Euro geben wir in der Folge pro Jahr für die Strafverfolgung von Konsumenten aus, obwohl doch der eigentliche kriminelle Sektor im Zentrum unserer Anstrengungen stehen sollte“, heißt es in dem Schreiben der beiden Politiker.

Das sehen Vertreter des Schildower Kreises ähnlich. Demnach ist die Prohibitionspolitik gescheitert. Zudem halten die Rechtsexperten das Betäubungsmittelverbot für verfassungswidrig, weil es gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit verstoße. Die Argumente: Das Ziel des Verbots, Handel und Konsum zu verhindern oder einzudämmen, werde nicht erreicht, es erschwere die Prävention und Cannabiskonsum sei ein opferloses Delikt – der Konsument schädigt höchstens sich selbst. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte das Betäubungsmittelgesetz im Cannabisurteil. Ein vom Grundgesetz abgeleitetes Recht auf Rausch gibt es nicht. Sieht man sich die nüchternen Zahlen an, wird eines schnell deutlich: Cannabis ist der Deutschen liebste illegale Droge. Mehr als ein Viertel der Bundesbürger hat Erfahrungen mit illegalen Drogen – die überwiegende Mehrheit davon mit Cannabis. Laut einem Bericht der Bundesdrogenbeauftragten kiffen mehr als zwei Millionen Deutsche, andere Experten schätzen diese Zahl deutlich höher ein. Das Konsumieren von Marihuana und Haschisch ist Alltag.

Statistik zeigt eher seltene Berührung mit der Droge

Vor allem unter den Jüngeren machen immer mehr Erfahrungen mit der Droge. Nach Zahlen des aktuellen Drogen- und Suchtberichts der Bundesdrogenbeauftragten haben 5,6 Prozent der Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren mindestens einmal in den letzten zwölf Monaten vor der Befragung Cannabis konsumiert. Bei den 18- bis 25-Jährigen sind es sogar 15,8 Prozent.

Diese Statistik mag für den einen oder anderen – je nach Haltung zum Thema – harmloser klingen, als sie ist. Denn bei Jugendlichen kann Cannabiskonsum ernste, bleibende Schäden verursachen. Zum Thema Jugendschutz gehen die Meinungen besonders auseinander. Verharmlost eine Legalisierung die Droge für Jugendliche und reizt zum Ausprobieren? Oder fällt es den Teenagern dann leichter, mit Lehrern und Eltern über das Thema zu sprechen? Erschwert eine Legalisierung den Zugang zur Droge, weil sie den Schwarzmarkt ausdünnt? Seit Jahren wird Cannabis auf Schulhöfen verkauft. Kritiker der Prohibition spotten, dass es für Jugendliche leichter ist, an Gras zu kommen als an Zigaretten.

Entkriminalisierung verlangt

Obwohl der Konsum der Droge weder legalisiert noch entkriminalisiert ist, wurde Cannabis in der Bundesrepublik zu einer Alltagsdroge. Die Frage, ob die Prohibitionspolitik erfolgreich war, scheint berechtigt. Sogar der Bund Deutscher Kriminalbeamter fordert eine Entkriminalisierung, weil die Beamten ihre Kraft lieber in die Bekämpfung der großen Fische im illegalen Drogengeschäft stecken wollen, als Strafanzeigen gegen Otto Normalkiffer zu schreiben, die meist ohnehin folgenlos bleiben. In einer Studie des Transcrime-Instituts schätzen Experten, das europaweit in der Illegalität mit Cannabis im Wert von mehr als 6,8 Milliarden Euro gehandelt wird. Ob man den Handel mit Cannabis im Untergrund mit einer Legalisierung austrocknen kann, weiß niemand. Dafür fehlt es an Erfahrungen.

Stefan Hantzschmann