Berlin/Bonn

Die SPD: Mehr als eine alte Tante

150 Jahre Sozialdemokratie, das sind Namen wie Lassalle, Ebert, Brandt. Es ist aber auch die Geschichte eines steten Wandels. Angefangen hat alles in Leipzig. Zumindest offiziell, denn die Arbeiterbewegung erstarkte schon in den 1830er- und 1840er- Jahren. Die SPD sieht aber die Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) durch Ferdinand Lassalle am 23. Mai 1863 als Geburtsstunde der deutschen Sozialdemokratie.

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Nach Attentatsversuchen auf Kaiser Wilhelm I. – und weil man eine Revolution fürchtete – kam es auf Veranlassung des Reichskanzlers Otto von Bismarck 1878 zum Sozialistengesetz gegen „die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“. Es war de facto ein Parteiverbot. Nach der Aufhebung 1890 gründete sich als Zusammenschluss aus den Vorläuferorganisationen die Sozialdemokratische Partei Deutschlands.

Wichtigster Protagonist war über mehr als drei Jahrzehnte August Bebel. Bebel kritisierte die undemokratischen Zustände im Kaiserreich und bereitete als Vorsitzender den Weg zur Massenpartei vor. 1914 kam es zur hochumstrittenen Zustimmung zu den Kriegskrediten für den Ersten Weltkrieg und in der Folge zur Abspaltung der USPD – für viele der historische Tiefpunkt.

Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs wurde die SPD trotz aller Anfeindungen von links wie rechts unter Führung von Friedrich Ebert zum Treiber der ersten deutschen Demokratie von Weimar. Altkanzler Helmut Schmidt, Sigmar Gabriel und Peer Steinbrück sagen heute auf die Frage nach der mutigsten Leistung, dies sei die Rede von Otto Wels im März 1933 gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz gewesen.

Mit diesem Gesetz wurde die Demokratie zerstört und alle Macht den Nazis übertragen. Nur die SPD stimmte gegen die Selbstentmachtung des Parlaments. Nach dem Krieg war die Arbeiterpartei lange im „30-Prozent- Turm“ gefangen. Mit dem Bekenntnis zur Marktwirtschaft und dem Abschied von marxistischen Zielen wie der Vergesellschaftung von Betrieben im Godesberger Programm von 1959, einer Annäherung an die katholische Kirche und die Wirtschaft, wandelte sie sich zur linken Volkspartei.

Aber erst mit Willy Brandt und dem Wechsel der FDP an die Seite der SPD gelang es, dauerhaft die Politik in der Bundesrepublik zu prägen. Es folgten die neue Ostpolitik („Wandel durch Annäherung“) und ein gesellschaftlicher Aufbruch. Egon Bahr, Wegbereiter der Ostpolitik, bedauert noch heute zutiefst, dass Brandt wegen der Guillaume-Affäre zurücktreten musste.

Nach 1990 kam es zum Wiederaufbau der gesamtdeutschen SPD – und nicht alle standen der Wiedervereinigung anfangs so positiv gegenüber wie Brandt, der 1992 starb. Einen neuen Aufbruch erhoffte man sich 1998 vom ersten rot-grünen Bündnis im Bund. In Erinnerung bleiben der Atomausstieg, die Homo-Ehe – und das harte Ringen um Schröders Hartz-Reformen, das die Partei fast zerriss.

Von Georg Ismar