Lahnstein

Porträt: Auf eine Zigarre mit Fritz Franzen

Fritz Franzen mit seinem Parteibuch. Am 1. April 1951 trat er in die SPD ein. Heute lebt der ehemalige Gewerkschaftsfunktionär in Lahnstein.
Fritz Franzen mit seinem Parteibuch. Am 1. April 1951 trat er in die SPD ein. Heute lebt der ehemalige Gewerkschaftsfunktionär in Lahnstein. Foto: Frey

„Darf ich rauchen?“ Fritz Franzen ist ein höflicher Gastgeber. Erst als sein Gegenüber kurz mit dem Kopf nickt, zündet er seine Zigarre an. Dann beginnt er zu erzählen: seine Geschichte, die so eng mit der der Sozialdemokratie verbunden ist. 84 Jahre ist der gebürtige Düsseldorfer alt. Vor mehr als 60 Jahren kam er als Geschäftsführer der IG Metall nach Bendorf – und fast genauso lange hat er sein SPD-Parteibuch.

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Franzen trat 1951 in die SPD ein. Eine Rede Kurt Schumachers war es, die den damals 24 Jahre alten Schlosser überzeugte. „Er sprach in Bad Hersfeld davon, Deutschland in den Grenzen von 1937 erhalten zu wollen“, erinnert sich Franzen. Deutschland als Einheit – in dem nach dem Krieg von den Alliierten in Zonen geteilten Land eine revolutionäre Idee. Franzen war beeindruckt. Leicht, sagt er allerdings, seien die 1950er-Jahre für die Partei nicht gewesen. Bei Wahlen kam die SPD nicht über 30 Prozent hinaus. Noch war sie zu sehr Arbeiter- und zu wenig Volkspartei, hatte sich noch zu wenig von der KPD und ihrer Idee von einer „Diktatur des Proletariats“ abgegrenzt.

Fritz Franzen mit seinem Parteibuch. Am 1. April 1951 trat er in die SPD ein. Heute lebt der ehemalige Gewerkschaftsfunktionär in Lahnstein.
Fritz Franzen mit seinem Parteibuch. Am 1. April 1951 trat er in die SPD ein. Heute lebt der ehemalige Gewerkschaftsfunktionär in Lahnstein.
Foto: Frey

Erst mit dem Bad Godesberger Programm von 1959 verabschiedeten sich die Sozialdemokraten endgültig von ihrer lange marxistischen Grundorientierung. Die SPD öffnete sich für neue Gesellschaftsschichten. Doch dieser Wandel tat vielen weh. Franzen, inzwischen zum Bevollmächtigten der Gewerkschaft aufgestiegen und Mitglied im Bendorfer Stadtrat, bekam das hautnah mit: „Gestandene Mitglieder knallten mir ihr Parteibuch auf den Schreibtisch und sagten, die SPD sei nicht mehr ihre Partei“, erzählt er.

Das Bad Godesberger Programm sei bis zuletzt hochumstritten gewesen. „Aber es war notwendig“, ist Franzen überzeugt. Zehn Jahre später wurde ein sozial- liberaler Aufbruch ausgerufen. Willy Brandt wagte „mehr Demokratie“ und eine Annäherung an den Ostblock. Die als modern geltende SPD hatte plötzlich mehr als eine Million Mitglieder. Franzen könnte noch viel erzählen – auch von den Anfängen seiner Partei, die er zwar nicht selbst miterlebt, mit denen er sich aber auseinandergesetzt hat.

Als der Gewerkschafter in den Ruhestand ging, begann er, die Geschichte der Arbeiterbewegung und der Sozialdemokratie in Koblenz und der Region aufzuschreiben. Sechs Bücher sind entstanden. „Die Arbeit daran hat mich erst wirklich zu einem Sozialdemokraten gemacht, der stolz ist auf seine Partei“, sagt ihr Autor. Vielleicht auch deshalb kommt die Antwort auf die Frage, ob er als junger Mensch heute wieder in die SPD eintreten würde, so entschieden: „Aber ja!“, sagt Franzen.

Die SPD sei für ihn noch immer eine progressive Partei. „Und eine progressive Partei tut so viel für die Menschen, wie möglich ist“, sagt der 84-Jährige. „Eine konservative tut dagegen nur so viel, wie nötig ist.“ Darüber, welche die größte Leistung seiner Partei ist, muss Franzen dagegen länger nachdenken. „Ich möchte eigentlich nichts hervorheben“, sagt er, ringt sich nach einem tiefen Zug an der Zigarre aber doch zu einer Antwort durch: „Die Hartz-IV-Reformen waren ihrer Zeit weit voraus“, sagt er dann.

„Ohne sie ginge es Deutschland in der andauernden Währungs- und Wirtschaftskrise genauso schlecht wie anderen Ländern.“

Von unserer Redakteurin Angela Kauer