Rheinland-Pfalz

Deutschland zählt seine Bürger durch

Volksbefragung: Rund 557 000 zufällig ausgewählte Rheinland-Pfälzer werden von Interviewern zu Hause aufgesucht.
Volksbefragung: Rund 557 000 zufällig ausgewählte Rheinland-Pfälzer werden von Interviewern zu Hause aufgesucht. Foto: dpa

Wie viele Menschen leben eigentlich in Deutschland? Wie viele Zuwanderer sind unter ihnen? Welche Berufsabschlüsse haben sie? Wo und wie leben sie? Das will der Staat jetzt wissen, in der ganzen EU.

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Rheinland-Pfalz – Wie viele Menschen leben eigentlich in Deutschland? Wie viele Zuwanderer sind unter ihnen? Welche Berufsabschlüsse haben sie? Wo und wie leben sie? Das will der Staat jetzt wissen, in der ganzen EU. Deshalb startet am 9. Mai auch in Deutschland nach 24 Jahren wieder einmal eine Volkszählung.

Aber anders als 1987 wird nur etwa ein Drittel der Bürger befragt. Das spart Kosten und soll wohl auch Konflikte vermeiden. Zu 100 Prozent werden nur die Haus- und Wohnungseigentümer aufgesucht. Die wichtigsten Fakten zum Zensus nennen der Präsident des Statistischen Bundesamts, Roderich Egeler, und der Chefstatistiker des Landes, Jörg Berres, mit denen wir gesprochen haben.

Warum wird das Volk gezählt? Es gibt doch Melderegister.

„Es ist kein statistischer Selbstzweck. Deutschland braucht die Daten, um die Zukunft der Gesellschaft zu planen“, erklären Egeler und Berres. Die Daten geben Hinweise, wo künftig noch Kindergärten oder mehr Seniorenheime gebraucht werden. Dafür müssen Städte und Gemeinden die Bevölkerungsentwicklung kennen. Nicht jeder Bürger meldet sich ordnungsgemäß an oder ab. Deshalb werden in den Melderegistern auch viele „Karteileichen“ erwartet, vor allem in den großen Städten. Experten gehen davon aus, dass die Einwohnerzahl bundesweit um rund 1,3 Millionen niedriger ist als ausgewiesen. Im Westen stammen die Volkszählungsergebnisse von 1987, im Osten Deutschlands sogar noch von 1981. „Deshalb ist dringend eine Inventur notwendig“, sagt Berres. Denn die Einwohnerzahl ist auch eine wichtige Berechnungsgrundlage dafür, wie viel Geld ein Land über den Finanzausgleich erhält oder wie groß ein Wahlkreis ist. In Rheinland-Pfalz rechnet Berres nicht mit einer sehr hohen Fehlerquote, weil hier schon das bundesweit erste zentrale Melderegister besteht: Alle Meldeämter sind untereinander vernetzt.

Wer wird denn befragt?

Der Zensus besteht aus zwei Elementen. Zum einen erhalten alle Gebäude- und Wohnungseigentümer einen Fragebogen. Außerdem wird eine statistisch aussagefähige Stichprobe der Bevölkerung von Interviewern besucht. Es muss nicht mehr jeder Bürger und Haushalt befragt werden. Wissenschaftler wie der Trierer „Stichprobenpapst“ Professor Ralf Münnich haben in Modellrechnungen ermittelt, in welcher Region wie viele Bürger befragt werden müssen, um repräsentative Ergebnisse zu erhalten. Von Ort zu Ort schwanken die Zahlen der Befragten. In Rheinland-Pfalz müssen rund 557 000 Personen aufgesucht werden. Das entspricht 13,2 Prozent der Bevölkerung mit Haupt- und Nebenwohnsitz. Im Schnitt wird ein Drittel der Einwohner befragt.

Warum werden alle Haus- und Wohnungseigentümer befragt?

Um ein Bild über den ungefähren Zustand der Gebäude und Wohnungen zu erhalten. Statistisch und ebenfalls anonym wird etwa festgestellt, wie geheizt wird. Da der Volkszählungsbogen EU-weit zu 99 Prozent einheitlich ist, ist auch anzukreuzen, ob es ein WC oder eine Badewanne in der Wohnung gibt. Dies ergibt ein ungefähres Bild der Lebensumstände. Dies gibt auch Hinweise über mögliche Sanierungsgebiete und größere Leerstände. Die Fragebogen für die Gebäude- und Wohnungszählung werden in Rheinland-Pfalz ab dem 26. April an 1,1 Millionen Eigentümer und Immobilienverwalter verschickt. Zum Gebäude werden sechs und zur Wohnung neun Fragen gestellt. Sind Eheleute Eigentümer und treffen zwei Fragebogen ein, ist nur ein Bogen auszufüllen. Der zweite soll leer im schon frankierten Umschlag zurückgeschickt werden. Online sind Antworten auch möglich. Dies soll binnen zwei Wochen geschehen.

Wann kommen die Interviewer?

Start ist am 9. Mai. Jeder der etwa 5600 Interviewer meldet sich aber schriftlich vorher an, damit ein Termin vereinbart werden kann. Die Fragesteller sind alle geschult und auf Verschwiegenheit verpflichtet. Städte und Kreise haben die sogenannten Erhebungsbeauftragten ausgesucht. Dabei greifen sie auf Personal in öffentlichen Verwaltungen zurück, aber auch zu 60 Prozent auf Freiwillige, die oft aus Ehrenämtern bekannt sind. Handelsvertreter waren ausgeschlossen. Es wird auch darauf geachtet, dass sich die NPD nicht, wie angedroht, einschleusen konnte. Jeder Interviewer zeigt einen Ausweis an der Haustür, der mit dem Personalausweis abzugleichen ist. Tests haben ergeben, dass die Bögen mit Hilfe des Interviewers in 10 bis 15 Minuten ausgefüllt sind.

Muss man die Interviewer in die Wohnung oder ins Haus lassen?

Jeder Bürger ist verpflichtet, den Fragebogen auszufüllen. Aber er kann die Unterlagen auch vom Interviewer entgegennehmen und sie allein ausfüllen – auf Papier oder Porto sparend auch online am heimischen Computer.

Was wollen die Statistiker wissen?

Der Katalog enthält 46 Fragen. Zuerst sind persönliche Angaben zu Namen, Adresse, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Geschlecht und Familienstand zu machen. Menschen, die nach 1955 zugewandert sind, müssen Angaben zur Herkunft und Einreisedatum der Eltern machen. Dieser Punkt war dem deutschen Staat vor dem Hintergrund der Integration wichtig. Es folgen detaillierte Fragen zur schulischen Laufbahn und zur Berufstätigkeit, aber nicht zu Einkünften. Es wird nach der Religion gefragt, aber Auskünfte zur Glaubensrichtung sind völlig freiwillig.

Was passiert mit den Daten?

Das Statistische Bundesamt, das Landesamt sowie die Erhebungsstellen in 24 rheinland-pfälzischen Landkreisen und 12 kreisfreien Städten sichern zu, dass keine Daten an Dritte weitergegeben werden. Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder begleiten den Zensus mit Kontrollen und achten darauf, dass die Daten nicht an Polizei-, Finanz-, Sozial-, Ausländer- und Meldeämter weitergeleitet oder verglichen werden. „Die Volkszählung ist eine Einbahnstraße. Daten kommen rein, aber nicht raus“, sagt Berres. Wie im Statistischen Landesamt sind die Volkszähler auch in den kommunalen Verwaltungen streng von anderen Bereichen abgeschottet.

Was hat es mit der Befragung in „Sonderbereichen“ auf sich?

Es werden alle Bewohner von Studenten- oder Seniorenheimen, Klöstern, Psychiatrien oder Gefängnissen befragt, weil hier die Fluktuation relativ groß ist. Der Staat will sichergehen, dass Bewohner nicht doppelt gemeldet sind. Bundesweit sind etwa zwei Millionen Menschen betroffen, in Rheinland-Pfalz sind es rund 58 000 in etwa 900 Einrichtungen.

Darf man die Auskunft verweigern?

Nein, denn es besteht Auskunftspflicht. Wer nach mehrmaliger Aufforderung nicht antwortet, muss mit einem Zwangsgeld rechnen. Es beginnt bei 300 Euro.

Was kostet die Volkszählung?

Der Bund beziffert die Kosten mit 710 Millionen Euro. 180 Millionen wurden seit 2001 bereits für die Vorbereitung ausgegeben. Die Länder gehen aber von 750 Millionen Euro aus, so Berres. „Den Löwenanteil müssen sie übernehmen.“ Auf Rheinland-Pfalz entfallen netto 28 Millionen Euro, davon erhalten die Kommunen 12 Millionen Euro für die Organisation. Zuschuss des Bundes: 15 Millionen.

Wann liegen Ergebnisse vor?

Die ersten Ergebnisse zur Einwohner- und Gebäudezahl werden nach 18 Monaten erwartet, die Strukturdaten erst Mitte 2013.

Noch Fragen zum Zensus?

Das Statistische Landesamt in Bad Ems schaltet Ende April an Werktagen (8 bis 18 Uhr) eine Hotline unter der Rufnummer 02603/71 4000. Auf den Unterlagen stehen auch Rufnummern von örtlichen Ansprechpartnern. Fragen können auch per E-Mail an zensus@statistik.rlp.de gerichtet werden.

Von unseren Redakteurinnen Ursula Samary und Rena Lehmann