Inflation

Das Inflationsgespenst geht wieder um

Das Inflationsgespenst geht wieder um
EZB-Präsident Jean-Claude Trichet wirkt nachdenklich: Er muss als „Hüter des Euro“ dafür sorgen, dass sich das Geld nicht rasant entwertet. Bisher hält die Europäische Zentralbank (EZB) aber am extrem niedrigen Zinsniveau fest – aus ihrer Sicht sind die Gefahren für die Preisstabilität derzeit beherrschbar. Foto: dpa

das Wort allein genügt schon, um vielen Deutschen Angstschweiß auf die Stirn zu treiben. Es ist die Horror-Vorstellung eines jeden Sparers: Das mühsam aufgebaute Vermögen auf der Bank wird von Monat zu Monat weniger wert und schmilzt dahin wie Schnee in der Sonne.

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Von Daniel Rademacher

Inflation – das Wort allein genügt schon, um vielen Deutschen Angstschweiß auf die Stirn zu treiben. Es ist die Horror-Vorstellung eines jeden Sparers: Das mühsam aufgebaute Vermögen auf der Bank wird von Monat zu Monat weniger wert und schmilzt dahin wie Schnee in der Sonne.

An düsteren Szenarien für die Zukunft mangelt es derzeit nicht: „Wir werden die Inflation vor allem über die höheren Rohstoffpreise importieren“, sagt etwa der Chef des Außenhandelsverbands BGA, Anton Börner. Er warnt vor einem Anstieg der Inflation auf vier bis sechs Prozent in den kommenden Jahren. Selbst eine zweistellige Teuerungsrate hält er nicht für ausgeschlossen.

Als weiterer wichtiger Grund für eine steigende Inflationsgefahr gilt die große Menge an Geld, die die Notenbanken derzeit zur Krisenbewältigung in den Markt pumpen. Wird sie nicht rechtzeitig wieder aus dem Markt genommen, entsteht das Problem, dass mehr Geld im Umlauf ist, als reale Waren existieren. Der Euro könnte deshalb an Wert verlieren. Billionen flossen, um die abstürzende Wirtschaft aufzufangen, und angesichts der Euro-Schuldenkrise ist kein rasches Ende der lockeren Geldpolitik in Sicht.

Für die Verbraucher macht sich eine steigende Inflation unmittelbar im Geldbeutel bemerkbar: Ob Wohnen, Kosten für Sprit oder der Blick auf den Kassenzettel im Supermarkt – die Bürger müssen allenthalben tiefer in die Tasche greifen. Zwar stiegen die Verbraucherpreise im vergangenen Jahr gerade einmal um 1,1 Prozent, die Inflation lag damit weit unter der Marke von knapp 2 Prozent, die für die Währungshüter der Europäischen Zentralbank (EZB) Preisstabilität bedeutet. Allerdings zog die Teuerung gegen Ende des Jahres wieder an und lag schon bei 1,7 Prozent. In der Euro-Zone kletterte die Teuerung im Dezember erstmals seit mehr als zwei Jahren sogar auf 2,2 Prozent.

Ein Hochschnellen der Verbraucherpreise auf breiter Front sieht der Inflationsexperte Hans Wolfgang Brachinger jedoch nicht. Bei Lebensmitteln allerdings kommt es schon längst zu zweistelligen Raten. „Das gilt etwa für Salat und Gurken. Und diese Entwicklung werden wir auch weiter beobachten können“, erläutert der Professor für Statistik an der Universität Fribourg in der Schweiz. Brachinger betont: „Wir müssen uns darauf einstellen, dass mit steigender Inflationsrate bei häufig gekauften Gütern die Konsumnachfrage zurückgehen wird.“ Deshalb prophezeit er für die kommenden Monate vor allem Zurückhaltung bei größeren Anschaffungen. „Die Menschen werden sich ein Inflationspolster anlegen.“ Mit anderen Worten: Der Flachbildfernseher bleibt vorerst im Geschäft, „dafür wird der gewohnte Lebensstandard in puncto Lebensmittel und Alltagsbedarf aufrechterhalten“.

Auch Ökonom Michael Frenkel, Rektor der WHU – Otto Beisheim School of Management in Vallendar, teilt Befürchtungen von zweistelligen Inflationsraten nicht: „So etwas halte ich für völlig übertrieben. Das wird es nicht geben.“ Dass das Gespenst der Inflation aber gerade in Deutschland immer wieder sein Unwesen treibt, liegt in der Geschichte begründet. Das Krisenjahr 1923 beispielsweise war die Zeit der Nullen: Wäschekörbeweise trug eine verarmte Bevölkerung nahezu wertlose Geldscheine zum Einkaufen. Die Finanzpolitik agierte damals dilettantisch, die Regierungen der Weimarer Republik finanzierten die gewaltigen Kriegsfolgekosten mit Schulden und der Erhöhung des Papiergeldumlaufs. Diese Erfahrungen haben sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Die derzeitige Lage ist damit nicht vergleichbar. WHU-Rektor Frenkel sagt: „Preisstabilität ist natürlich vernünftig. Aber in anderen Ländern lacht man schon, wenn die Deutschen sich heute wegen vermeintlich hoher Inflationsraten von drei oder vier Prozent Sorgen machen.“

Und auch die EZB, deren Ziel stabile Preise sind, sieht derzeit keine große Inflationsgefahr im Euro-Raum. Zwar dürfte die Teuerung wegen der Rohstoffpreise in den kommenden Monaten weiter ansteigen, heißt es im jüngsten Monatsbericht – insoweit geben die obersten Währungshüter BGA-Präsident Börner recht. Doch gegen Jahresende sei wieder eine Abschwächung des Preisanstiegs zu erwarten.