Weltpolitik 2012: Postengeschacher im Politbüro

KPC
Präsident Hu Jintao (r) und Premier Wen Jiabao applaudieren zum 90. Jahrestag der Gründung der Kommunistischen Partei Chinas. Foto: DPA

In der Ungewissheit der Weltwirtschaftskrise steht China vor einem Machtwechsel. „Prinzlinge“, Schanghai-Fraktion und Jugendliga ringen um Ämter. Die Neuen setzen auf die einzige Ideologie, die Volk und Partei noch eint.

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Das Tauziehen um die nächste Führungsgeneration der Kommunistischen Partei Chinas lässt sich nicht mehr leugnen. Vor dem Parteitag in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres gibt es hinter den Kulissen schon heute ein kräftiges Gerangel um die gegenwärtig neun Sitze im Ständigen Ausschuss des Politbüros, dem höchsten Machtgremium der Partei.

Die Fraktion der Jugendliga um den scheidenden Staats- und Parteichef Hu Jintao kämpft um ihren künftigen Einfluss, ebenso die mächtigen Familien alter Revolutionäre und ihre „Prinzlinge“. Auch reden Altpolitiker wie Ex-Präsident Jiang Zemin und seine Schanghai-Fraktion offenbar ein gehöriges Wörtchen mit. Nach dem Arabischen Frühling, der auch in China den „Jasmin“-Ruf nach Demokratie und Freiheit laut werden ließ, will die Partei ihren geistigen und politischen Führungsanspruch weiter einzementieren.

Grenzen erreicht

Die Herausforderungen sind enorm. Während die Ungewissheit durch die Weltwirtschaftskrise noch zunimmt, stößt Chinas Wachstumsmodell, das sich auf Exporte und Investitionen stützt, längst an seine Grenzen. Der Umbau zu heimischer Nachfrage als Motor und die gewünschte Abkehr vom verschwenderischen Wachstum kommen kaum voran. Auch politische Reformen sind nicht in Sicht. Selbst der Ruf der alten Führung nach mehr „innerparteilicher Demokratie“ ist verstummt. Es scheint nicht die Zeit für Experimente oder Reformen zu sein. Niemand will sich in dem Gerangel dem Vorwurf aussetzen, zu nachgiebig oder gar schwach zu sein. So demonstrieren die neuen Führer auch nach außen eher Stärke, setzen auf Nationalismus, der einzigen Ideologie, die Volk und Partei noch eint.

Als Indiz für die Machtkämpfe gelten Beobachtern die kargen Erklärungen des Zentralkomitees nach seiner jährlichen Sitzung im vergangenen Oktober. Alles drehte sich nur um „sozialistische Kernwerte“ sowie eine strengere Kontrolle des Internets und der Medien. „Chinas Wiedererwachen muss vom Reichtum der chinesischen Kultur begleitet werden“, fordert das Zentralkomitee mit eher blumigen Worten, um die zweitgrößte Wirtschaftsmacht mit mehr „Softpower“ ausstatten.

In den Erklärungen gab es noch Aufrufe zur Einheit von Partei und Volk, aber keinerlei Hinweise, wer alles das Rennen machen oder wie der künftige Kurs aussehen dürfte. Nur zwei Personalien erscheinen heute ziemlich klar: Vizepräsident Xi Jinping (58) soll neuer Staats- und Parteichef werden und den dann 70-jährigen Hu Jintao beerben. Der jetzige Präsident hatte sich mit seinem Wunschkandidaten Li Keqiang (56) offenbar nicht gegen die Schanghai-Fraktion um Jiang Zemin und mächtige Familieninteressen durchsetzen können. Sein Schützling, Vizepremier Li Keqiang, soll jetzt aber die Nachfolge von Regierungschef Wen Jiabao (69) antreten. Gerungen wird auch um den „großen Kuchen“, die gerechte Verteilung des neuen Wohlstands in China.

Auf der einen Seite steht Bo Xilai, gewandter Politiker westlichen Stils und Ex-Handelsminister, der sich vor dem letzten Wechsel im Jahr 2002 vergeblich Hoffnungen auf den Posten des Regierungschefs gemacht hatte. Nach seiner Berufung zum Parteichef der 28-Millionen-Metropole Chongqing hat der 62-Jährige aufgeräumt, die Korruption und Mafia bekämpft. Kontrovers ist demgegenüber aber sein Bemühen, die „rote Kultur“ der Mao-Ära mit Revolutionsliedern wiederzubeleben, was unter „Chang Hong“, „Singt rote Lieder“, bekannt geworden ist.

Der Mann des Volkes

Bo Xilai gibt sich als Mann des einfachen Volkes, fördert den sozialen Wohnungsbau und findet, dass der Kuchen schon verteilt werden muss, während er gebacken wird. Sein pragmatischer Gegenspieler, der Parteichef der wohlhabenden südchinesischen Boom-Provinz Guangdong, Wang Yang (56), will den Kuchen hingegen erst backen. Die wirtschaftliche Entwicklung müsse erst vorangetrieben werden, weil ohne Wohlstand auch die Ungleichgewichte nicht bewältigt werden könnten, meint der zupackende einstige Fabrikarbeiter.

Für Ausgleich zwischen den Lagern soll im neuen Ständigen Ausschuss der heute schon für Finanzen zuständige Vizepremier Wang Qishan (63) sorgen. Der lösungsorientierte „Feuerwehrmann“ ist ein Schützling von Ex-Ministerpräsident Zhu Rongji, der in den 90er-Jahren wegweisende wirtschaftliche Reformen in China eingeleitet hatte und heute sein Erbe in Gefahr sieht. „Er macht sich große Sorgen um die Wirtschaft“, sagte ein Vertrauter, der den gradlinigen Ex-Premier erst kürzlich getroffen hatte. Zhu Rongji sei nicht so glücklich über die wirtschaftliche Kompetenz der neuen Mannschaft, sodass ihm der erfahrene Wang Qishan als Garant für notwendige Kontinuität gelte.

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