RZ-Kommentar: Der neue Papst steht vor den alten Problemen

Jorge Mario Bergoglio – ein Argentinier wird Nachfolger des Deutschen Joseph Ratzinger als Oberhaupt der katholischen Kirche. Franziskus löst Benedikt XVI. ab. Die eher verhaltene Reaktion der Wartenden auf dem Petersplatz, als Kardinalprotodiakon Tauran den Ausgang des Konklaves verkündete, mag ein Gradmesser dafür sein, dass die 115 Kardinäle keinen der hoch gehandelten Kandidaten zum Papst gekürt haben.

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Wieder kein Italiener, nicht der Brasilianer Odilo Scherer, kein Nordamerikaner. Doch der Erzbischof von Buenos Aires, der „vom Ende der Welt“, wie er es selbst bezeichnete, zum Bischof von Rom berufen wurde, zählte bereits vor acht Jahren zu den aussichtsreichsten Bewerbern für die Nachfolge des verstorbenen Johannes Paul II. Insofern ist die Entscheidung keine Überraschung oder gar Sensation, wie es in ersten Stellungnahmen mitunter zu hören war.

Sein schlichter Lebensstil, sein Herz für die Armen, das sind die Markenzeichen des neuen Pontifex. Das könnte bedeuten, dass der Jesuit es leichter als sein Vorgänger hat, die Gläubigen emotional zu erreichen. Mit den sanften Worten, die er von der Loggia des Petersdoms an die Menge richtete, hinterließ der 76-Jährige einen sympathischen Eindruck.

Und doch wäre es verfrüht, wahrscheinlich sogar übertrieben, von ihm große Veränderungen zu erwarten. Gerade in Deutschland waren ja im Vorfeld riesige Erwartungen an Benedikts Nachfolger artikuliert worden. Ein Rütteln am Zölibat, das Öffnen des Priesteramtes für Frauen, eine Abkehr von einer von vielen Gläubigen als überlebt wahrgenommenen Sexualmoral. Nein, als radikaler Modernisierer wird Franziskus nicht antreten (können). Der neue Papst steht deshalb vielmehr vor den alten Problemen.

Inwieweit kann er die Kirche wirklich modernisieren, ohne Traditionen zu verraten? Wird es ihm gelingen, den Missbrauchsskandal, der die katholische Kirche in ihren Grundfesten erschüttert hat, glaubwürdig aufzuarbeiten? Wird er es schaffen, die zunehmende Zahl der Zweifler wieder zurück in die Gemeinschaft zu holen? Der neue Papst schloss seinen ersten Auftritt mit dem Wunsch nach einer geruhsamen Nacht. Eine geruhsame Amtszeit wird es für den ersten Pontifex aus Lateinamerika nicht werden.

Von Markus Kratzer