Hunsrück: Windräder bedrohen und töten Fledermäuse

Rhein-Hunsrück – Er liebt die Natur und das Fotografieren. Er zählt Kraniche beim Rasten, beobachtet Schwarzstörche und Rotmilane, er bringt Interessierten bei nächtlichen Exkursionen Fledermäuse näher. Christian Jungmann ist Naturschützer durch und durch.

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Als Nabu-Vorsitzender im Kreis Birkenfeld und Mitglied des Arbeitskreises Fledermausschutz Rheinland-Pfalz beobachtet er deshalb mit großer Skepsis, wie der Hunsrück mit Windrädern zugepflastert wird – zum Schaden der Fledermäuse und Vögel. „Wer gibt uns das Recht, ganze Arten auszurotten?“ Diese Frage treibt den 26-Jährigen um. Zumal neueste Studien davon ausgingen, dass durchschnittlich zehn Fledermäuse pro Jahr und Windrad ums Leben kommen. Auf den Rhein-Hunsrück-Kreis hochgerechnet, wäre dies ein Verlust von 1500 Fledermäusen im Jahr.

Betrachtet man die Populationsgröße, so werde schnell klar, dass keine Fledermausart einen solch großen Verlust kompensieren kann. Jede Fledermaus gebärt nur ein Junges, selten zwei pro Jahr. Durch Wettereinflüsse ist die Sterblichkeit der Jungtiere sehr hoch, jedes zweite überlebt das zweite Jahr nicht. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei acht bis zehn Jahren, einige Tiere können aber sogar 40 Jahre alt werden.

Für Jungmann gibt es keinen Zweifel: Durch Windkraftanlagen kommen relativ viele Tiere ums Leben. „Ich selbst habe vor einiger Zeit eine tote Zwergfledermaus unter einer Windenergieanlage gefunden. Sie war auf grausame Weise zerstückelt worden.“
Für Fledermaus-Experten fast schon zum Verzweifeln ist die Situation auf dem Hochsteinchen im Sonnwald, wo kreisübergreifend elf Anlagen in Betrieb sind oder bald ans Netz gehen. Dass in dieser exponierten Lage Windräder überhaupt genehmigt werden konnten, macht aus Sicht von Jungmann das ganze Dilemma deutlich. „Die Einzelfallprüfung beim Genehmigungsverfahren ist der falsche Weg“, geißelt der Naturschützer die gängige Praxis. Dadurch werde der Blick auf den zusammenhängenden Naturraum verstellt. Denn durch die Einzelfallprüfung werde ja kaum ein Standort negativ bewertet. Dabei befinde sich gerade mal wenige Hundert Meter von einer genehmigten Anlage im Hochsteinchen entfernt ein Naturwald-Reservat. Die Buchenbestände werden nach Jungmanns Kenntnis seit Generationen nicht mehr forstlich genutzt. „Im Totholz fühlen sich die Fledermäuse besonders wohl.“

Die elf Anlagen auf dem Hochsteinchen sind für Jungmann der Sündenfall schlechthin. Denn jetzt fragen sich alle zu Recht: Wenn man noch nicht mal diesen hochsensiblen Bereich frei von Windkraftanlagen halten kann, wo kann man denn dann überhaupt noch Anlagen verhindern?. „Im Soonwald wurde ein Präzedenzfall geschaffen, der den Windkraftbetreibern in ganz Rheinland-Pfalz Tür und Tor öffnet“, lautet Jungmanns traurige Erkenntnis.
Überhaupt hält der Nabu-Mitarbeiter Waldstandorte für Windkraftanlagen, wie sie von der Landesregierung bevorzugt werden, für problematisch. „Waldstandorte sind nicht mit Offenlandstandorten zu vergleichen. Im Wald müssen Bäume gefällt werden, und es werden Lichtungen geschaffen. Diese Lichtungen sind insektenreicher als der umliegende Wald, da ist es für Fledermäuse naheliegend, dort zu jagen, wo die Nahrung ist. Sie schrauben sich dann entweder an den Anlagen hoch oder folgen Insektenschwärmen, die in dieser Höhe vorkommen. So können sie dann von den Rotoren erfasst werden, oder sie werden durch den extremen Druckunterschied der sich mit bis zu 300 km/h drehenden Rotoren getötet.“ Für die Fledermaus-Freunde ist die Wandlung des Hunsrücks zur Industrielandschaft für Windenergie ein Schlag ins Gesicht. Denn dadurch werden, wie Jungmann darlegt, die Erfolge bei der Quartiersicherung in den vergangenen Jahren zunichte gemacht. „Was nutzt es, den Fledermäusen in den älteren Häusern ein Quartier zu bieten, wenn ich den Lebensraum der Tiere nicht schützen kann?“

Vera Müller und Wolfgang Wendling