Köln/Limburg

Nach Raubüberfall in Limburg: Prozess um Ex-Reemtsma-Entführer Thomas Drach hat begonnen

Der Angeklagte Thomas Drach.
Der Angeklagte Thomas Drach. Foto: dpa

Die Anklage ist gerade verlesen worden, da ergreift die Hauptperson das Wort: Er wolle Strafanzeige gegen die Staatsanwältinnen stellen, sagt Thomas Drach. Wegen Urkundenfälschung. Das könne er tun, entgegnet ihm Richter Michael Bern. „Aber nicht jetzt.“

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Die kurze Szene ist symptomatisch für den ersten Prozesstag gegen den früheren Reemtsma-Entführer Drach, der seit Dienstag wegen vier Geldtransporterüberfällen vor dem Kölner Landgericht steht. Das Gericht müht sich, die Struktur des Verfahrens aufrechtzuerhalten.

Drach gilt als einer der bekanntesten Verbrecher Deutschlands. Bis heute wird sein Name mit der Entführung des Erben der Hamburger Tabakdynastie Reemtsma, Jan Philipp Reemtsma, im Jahr 1996 verbunden. Nach 33 Tagen ließ er sein Opfer frei – gegen ein Lösegeld von 15 Millionen D-Mark und 12,5 Millionen Schweizer Franken. Fast zwei Jahre lang lebte Drach danach luxuriös in Südamerika. Für die Tat wurde er später zu mehr als 14 Jahren Haft verurteilt.

In Köln steht Drach nun abermals vor Gericht, diesmal geht es um mehrere Geldtransporterüberfälle, für die ihn Ermittler verantwortlich machen. Für den Prozess gelten höchste Sicherheitsvorkehrungen. Wer in den Saal möchte, wird zweimal durchsucht, die Ausweise werden kontrolliert. Das alles dauert. Die Hauptverhandlung beginnt schließlich mit mehr als einstündiger Verspätung – und wird gleich wieder unterbrochen, weil ein Mitangeklagter über Kopfschmerzen klagt und die Wirkung einer Tablette abgewartet werden soll. Profanes und Prominentes wechseln sich ab.

Die Staatsanwältin verliest die Anklage. Drach werden unter anderem versuchter Mord und besonders schwerer Raub vorgeworfen. 2018 und 2019 soll er bei vier Taten in Köln, Frankfurt und Limburg Geldtransporter überfallen und dabei insgesamt rund 230.000 Euro erbeutet haben. In zwei Fällen – in Frankfurt und am Flughafen Köln/Bonn – habe er jeweils auf einen Wachmann geschossen. Beide Männer erlitten lebensgefährliche Verletzungen.

„Die Gesamtwirkung des Angeklagten Drach und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist“, sagt die Staatsanwältin. Deshalb sei Sicherungsverwahrung anzuordnen. Drach, mit Halbglatze und Dreitagebart, blättert derweil in seinen Unterlagen und tippt auf einem Laptop. Für den 61-Jährigen, der in Erftstadt bei Köln in einem gutbürgerlichen Elternhaus aufwuchs, geht es angesichts seiner Vita, zu der neben der Reemtsma-Entführung weitere Verurteilungen zählen, um sehr viel. Freispruch oder sehr lange Zeit hinter Gittern. Dazwischen ist wenig vorstellbar.

Seine Anwälte erwarten einen Freispruch, wie sie vor dem Prozess bekräftigen. Die Vorwürfe seien haltlos und stützten sich auf lückenhafte Indizien. Im Prozess wolle sein Mandant sich nicht äußern und von seinem Schweigerecht Gebrauch machen, kündigt Drachs Anwalt Andreas Kerkhof dem Gericht an. Auch der Mitangeklagte will sich zur Sache nicht äußern. Sein Verteidiger sieht ebenfalls keine belastbaren Beweise. Für den Mammutprozess sind bisher 53 Verhandlungstage bis Ende September angesetzt. „Aber es wird sicherlich deutlich länger dauern“, prognostiziert der Verteidiger des Mitangeklagten, Wolfgang Heer. Er hatte im NSU-Prozess die Rechtsextremistin Beate Zschäpe verteidigt.