Jörg Staiber kommentiert: Später, aber dafür besser

Jörg Staiber
Jörg Staiber Foto: RZ

Es war eine der großen, heute schon fast vergessenen Heldentaten des 20. Jahrhunderts: Als der italienische Psychiater Franco Basaglia 1971 Leiter der Triester Nervenklinik wurde, schaffte er dort die geschlossene Abteilung ab. Patienten, oft jahre- oder sogar jahrzehntelang eingekerkert, durften sich nun frei in der Stadt bewegen.

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Das Beispiel machte in Italien schnell Schule, bereits 1978 wurden dort die „Irrenanstalten“ abgeschafft. Dennoch gilt die italienische Psychiatriereform als weitgehend gescheitert, vor allem, weil es versäumt wurde, parallel zur Abschaffung der geschlossenen Anstalten ambulante Strukturen aufzubauen.

Basaglias Ideen erreichten auch Deutschland: Bereits 1975 legten Experten die Psychiatrie-Enquête vor, die der psychiatrischen Versorgung in unserem Land ein verheerendes Zeugnis ausstellte und auch schon die Forderung enthielt, die großen psychiatrischen Anstalten zugunsten gemeindenaher, vorwiegend ambulanter Angebote abzuschaffen. Lange hat es gedauert, bis die Enquête-Forderungen umgesetzt wurden, in Rheinland-Pfalz 20 Jahre. Immerhin hat man eines besser gemacht und eine weitgehend funktionierende ambulante Versorgung aufgebaut.

E-Mail an joerg.staiber@rhein-zeitung.net