Berlin

Trojaner alarmiert die Datenschützer

Datenschutzbeauftrager Peter Schaar.
Datenschutzbeauftrager Peter Schaar. Foto: picture alliance / dpa

Die vom Chaos Computer Club (CCC) aufgedeckte Ermittlersoftware, die mehr kann, als sie rechtlich darf, wird voraussichtlich weit reichende Untersuchungen nach sich ziehen.

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Der sogenannte Staatstrojaner ist in der Lage, einmal auf einem Rechner installiert, per Fernsteuerung weitere Programme aufzuspielen, Bilder und Gespräche mitzuschneiden. Er kann zur Manipulation von Dateien genutzt werden. Auch vor Missbrauch durch Dritte ist die Software nach Angaben des CCC nicht sicher. Das gefährliche und in Deutschland illegale Ermittlerinstrument soll nach Angaben des Vereins von staatlichen Behörden verwendet worden sein.

Landeskriminalämter und das Zollkriminalamt kommen aus Sicht der Experten, die den Trojaner überprüften, als Nutzer in Betracht. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums schloss aus, dass die Software von Bundesbehörden genutzt wird. Dazu zählen der Bundesverfassungsschutz, das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei. „Es handelt sich nach der bisherigen Prüfung also auch nicht um einen ,Bundestrojaner'“, sagte der Sprecher. Es sei Sache der Länder, ihre Behörden nun eigenständig zu überprüfen. Spionagesoftware ist seinen Angaben zufolge auf dem internationalen Markt auch für Privatpersonen und Unternehmen erhältlich.

Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte, dass die Bundesregierung die Berichte über den Trojaner „sehr ernst“ nimmt. „Es geht um das Vertrauen der Bürger in rechtsstaatliches Handeln“, so Seibert. Einen „langwierigen Prozess“ der Aufklärung dürfe es nicht geben.

Datenschützer reagierten bestürzt auf die mögliche Verwendung der Software in staatlichen Behörden. „Es darf nicht sein, dass beim Abfangen verschlüsselter Internet-Kommunikation auf dem Computer durch die Hintertür auch eine Online-Durchsuchung des gesamten Rechners durchgeführt werden kann“, sagte der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Der rheinland-pfälzische Datenschutzbeauftragte Edgar Wagner forderte, Landesbehörden und Polizei zu überprüfen, ob sie eine solche Software verwenden. Nach Angaben des Innenministeriums von Rheinland-Pfalz hat die Polizei im Land erst ein einziges Mal Vorbereitungen für eine Telekommunikationsüberwachung getroffen. Die Software dafür kam laut Ministerium aus einem anderen Bundesland und „hat den Vorgaben des richterlichen Beschlusses entsprochen“. Die Voraussetzungen für eine solche Überprüfung sind Wagner zufolge „ganz rigide“. „Aber der aktuelle Fall zeigt, dass wir Mechanismen trotzdem sehr genau überprüfen müssen“, sagt der Datenschützer. Er bemängelte, „dass man im rechtspolitischen Diskurs sorglos mit den Grundrechten der Bürger umgeht.“

Der SPD-Innenpolitiker Michael Hartmann bestätigte gegenüber unserer Zeitung, dass es die fragliche Software gibt. Den „großen Zauberkasten“ der ermittlungstechnischen Möglichkeiten habe eine Firma auch im Innenausschuss präsentiert. „Wir waren uns aber einig: Das wollen wir nicht. Grob gesagt: Selbst Osama bin Laden hätte ein Recht darauf gehabt, dass man sein Sexualleben nicht ausspioniert.“

Der Innenpolitiker hält die Angaben des Innenministeriums, wonach die Bundesbehörden den Trojaner nicht verwenden, für glaubwürdig. Damit Beweismittel vor Gericht verwendbar sind, müssten sie gerichtlich genehmigt sein. „Kein Polizist kann eigenmächtig mithilfe eines solchen Trojaners ermitteln“, sagte Hartmann. Die illegale Software soll am Mittwoch allerdings Thema im Innenausschuss des Bundestages sein. Auch die Landtage müssten sich damit beschäftigen, forderte Hartmann. „Wenn die Software zur Anwendung kam, dann ist das Verfassungsbruch.“

Von unserer Berliner Korrespondentin Rena Lehmann