Rätsel um Parkinson ist seit 200 Jahren ungelöst

Die Hände zittern, das Gesicht wirkt maskenhaft, der Gang gleicht dem eines Roboters – typische Symptome der Parkinson-Krankheit. Fast drei Millionen Menschen weltweit sind von dem Leiden betroffen, und es sind nicht nur Senioren. Die unheilbare Erkrankung, deren Ursache noch immer unbekannt ist, trifft auch immer mehr junge Menschen.

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Allein in Deutschland gibt es mehr als eine Viertelmillion Betroffene – Tendenz steigend. „Morbus Parkinson“ lautet die zunächst niederschmetternde Diagnose, mit der sie leben müssen. Der bereits vor fast 200 Jahren erstmals beschriebenen Krankheit liegt eine Störung in einem kleinen, eng begrenzten Bereich tief im Inneren des Gehirns zugrunde. In der sogenannten Schwarzen Substanz (Substantia nigra) sterben über viele Jahre schleichend Zellen.

Zelltod in Schwarzer Substanz

Der Tod dieser Nervenzellen hat fatale Auswirkungen auf den gesamten Körper, denn die Schwarze Substanz und ein weiteres Hirngebiet, der Streifenkörper (Striatum), sind maßgeblich daran beteiligt, die menschlichen Bewegungen zu steuern. Durch die sterbenden Zellen entsteht ein Mangel an Dopamin, einem chemischen Botenstoff, durch den die Bewegungsimpulse normalerweise an andere Hirnzellen weitergeleitet werden. Das Ungleichgewicht mit anderen Botenstoffen im Striatum führt dazu, dass die harmonischen Bewegungsabläufe der Muskulatur gestört sind. In der Folge kommt es zu den typischen Symptomen der Parkinson'schen Krankheit.

Tremor: Auffälligstes Merkmal ist ein unkontrolliertes Zittern. Am stärksten davon betroffen sind Hände und Füße. Ist der Patient psychischer oder physischer Belastung ausgesetzt, nimmt das Zittern häufig stark zu. Beim Schlafen hingegen kommt es meist vollständig zum Stillstand.

Akinese: Augenfällig sind auch die verlangsamten Bewegungsabläufe – mit fortschreitender Krankheit agieren Parkinson-Patienten wie in Zeitlupe. Oft kann der geistige Befehl, eine ganz bestimmte Bewegung auszuführen, erst nach einer längeren Anlaufzeit vom Körper umgesetzt werden.

Rigor: Diese für den Außenstehenden kaum wahrnehmbare Muskelspannung und -steifheit begründet die bei vielen Patienten zu beobachtende vornüber gebeugte Haltung. Dieses Symptom manifestiert sich deutlich in einem verminderten Mitpendeln der Arme beim Gehen. Der Rigor ist auch für die teils erheblichen Rückenschmerzen verantwortlich, die nach neueren medizinischen Erkenntnissen ein frühes Warnsignal für eine Parkinson-Erkrankung sein können.

Neben diesen drei Hauptkennzeichen erkennt der Fachmann an einer Fülle weiterer Symptome den Betroffenen. Ein maskenartiges Gesicht mit reduziertem Lidschlag und fehlender Mimik, ein von kleinen Trippelschritten und großer Unsicherheit geprägter Gang, Sprach- und Konzentrationsschwierigkeiten, Riechstörungen, Schlafprobleme und psychische Beeinträchtigungen wie Depressionen kommen oft hinzu. Dabei sind alle Symptome unterschiedlich stark ausgeprägt und vielfältig miteinander vermischt. Die verschiedenen Patienten haben daher auch mit völlig verschiedenen Verläufen ihrer Krankheit zu kämpfen.

Die Ursachen von Parkinson sind nach wie vor unbekannt, nur selten lassen sich konkrete Gründe wie beispielsweise Vergiftungen, Unfälle oder Medikamente als Auslöser für ähnliche Symptome festmachen. Wahrscheinlich führt eine Kombination aus genetischen Veränderungen und Umwelteinflüssen zum Ausbruch. Aber diese These ist bisher nur Spekulation und macht das Eingrenzen der Diagnose nur schwieriger.

Mit zunehmendem Alter steigt die Erkrankungshäufigkeit gemessen an der Gesamtzahl der Gleichaltrigen. Liegt die Häufigkeit in Deutschland zwischen dem 60. und 65. Lebensjahr bei 240 Patienten pro 100 000 Einwohner, ist sie bei den über 85-Jährigen schon zehnmal so hoch. Wesentlich seltener, aber für die Patienten und deren Angehörige umso schockierender ist Parkinson in jungen Jahren: Zwischen dem 40. und 44. Lebensjahr erkrankt schätzungsweise ein Dutzend von 100 000 Menschen, das sind immerhin noch etwa 25 000 jüngere Männer und Frauen in Deutschland.

Parkinson gehört zu den am häufigsten auftretenden neurodegenerativen Erkrankungen. Würde es den Forschern gelingen, das Leiden früher zu diagnostizieren, könnte man durch eine rechtzeitig einsetzende Behandlung den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Sollte es gelingen, die Krankheit mindestens fünf Jahre früher zu diagnostizieren, dann dürfte es auch möglich sein, die Menschen vor dem Ausbruch der Erkrankung zu bewahren. Das fortschreitende Wissen über Neuronen schädigende und Neuronen heilende Mechanismen wird, da sind sich die Forscher international einig, eines Tages dazu führen, dass wirksame Therapiestrategien entwickelt werden, mit denen dann eine ursächliche Heilung der Erkrankung erreicht werden kann. Bis dahin, da lassen die Experten keinen Zweifel aufkommen, ist es jedoch noch ein weiter Weg.

Schneller zur richtigen Diagnose

Das voll ausgeprägte Krankheitsbild bei Parkinson ist für jeden Arzt leicht zu erkennen. Doch bei mehr als der Hälfte der Patienten wird die richtige Diagnose erst drei bis vier Jahre nach Auftreten der ersten Symptome gestellt. Die Schwierigkeit besteht in der uncharakteristischen Ausprägung des Syndroms in der Anfangsphase. Das heißt, registriert der eine zunächst ein Zittern und kaum Muskelsteifigkeit, kann dies bei einem anderen Betroffenen genau umgekehrt sein. Zudem überlagern sich viele Merkmale mit denen anderer Krankheiten, was schnell zu einer Fehldiagnose führen kann.

Die Krux liegt aber schon in der Zeit, bevor die ersten Symptome erkannt werden. Denn fünf bis sieben Jahre, so schätzen die Mediziner, gehen bereits Zellen im Gehirn zugrunde, bevor typische Parkinson-Merkmale auftreten. Zusätzlich erschwerend: Zittern, Muskelsteifigkeit und Bewegungsarmut bilden sich nur sehr langsam und in unterschiedlicher Reihenfolge aus. Verwechslungen mit anderen Leiden sind daher leicht möglich.

Diese Probleme in der Anfangsphase der Parkinson'schen Krankheit sind in ihrer Wirkung fatal: Wenn das Syndrom klinisch sichtbar wird, sind bereits etwa 60 Prozent der Dopamin produzierenden Zellen in der Schwarzen Substanz des Gehirns zerstört. Der dadurch entstehende Mangel an Dopamin, dem Botenstoff, der die Steuerung der Körperbewegungen maßgeblich beeinflusst, löst dann das typische Zittern aus. Je eher man in diesen schleichenden Zellabbauprozess eingreifen, ihn vielleicht verlangsamen oder gar stoppen kann, desto besser ist das für den Allgemeinzustand des Patienten und desto länger kann seine normale Teilhabe am sozialen Leben gewährleistet werden.

Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass bildgebende medizinische Verfahren wie beispielsweise die Positronen-Emissions-Tomografie (PET), die Magnet-Resonanz-Tomografie (MRT) oder die Sonografie (Ultraschall) weitere Rätsel bei der Suche nach den Ursachen der Parkinson'schen Krankheit lösen werden. Beste Resultate erzielte man bisher mit einer speziellen Ultraschallmethode, der transkraniellen Sonografie. Auf den Ultraschallbildern wurden Veränderungen in den tiefen Hirnregionen sichtbar, die mit dem klinischen Erscheinungsbild und PET-Untersuchungen von Parkinson-Patienten übereinstimmten.

Von unserem Redakteur Axel Müller