Kairo

In Ägypten liegen die Nerven blank

In Ägypten liegen die Nerven blank Foto: dpa

Der Mann im blauen Anzug steht vor der Flugzeugtreppe auf dem Rollfeld in Kairo und gestikuliert, das Handy am Ohr. Neben ihm warten die Passagiere im Bus darauf, dass sie einsteigen können. Auf der anderen Seite der Maschine sind die Koffer schon auf halbem Weg in den Flugzeugbauch, doch das Förderband steht. Der Mann im Anzug der ägyptischen Fluggesellschaft Egypt Air sucht Blickkontakt mit dem Busfahrer – dann streckt er den Daumen nach unten.

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Von Benno Schwinghammer

Dieses Flugzeug wird nicht von der ägyptischen Hauptstadt nach Scharm el Scheich an der Südspitze des Sinai fliegen. Nach dem Absturz eines russischen Ferienfliegers mit 224 Toten über der Halbinsel liegen auch auf dem Flughafen in Kairo die Nerven blank. Die Fluggäste sind ratlos.

Auf die Frage, was denn los sei, sagt ein Passagier: „Das weiß keiner hier.“ Der Bus fährt zurück zum Terminal. Die Fluggäste sitzen in der Wartehalle und müssen sich vertrösten lassen. Einige werden laut, eine Frau sagt etwas von einem „Unfall“. Es gebe „kein Problem“, beteuert ein Mann, dessen Ausweis ihn als Teil des Bodenpersonals kennzeichnet. „Wir wechseln nur das Flugzeug.“ Warum das sein muss, sagt er nicht.

Normalerweise wäre ein ausgetauschtes Flugzeug nicht der Rede wert. Doch normal ist nichts mehr im ägyptischen Luftverkehr nach dem verheerenden Absturz auf der Sinai-Halbinsel, Ägyptens Unruheregion mit einem aktiven Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS).

Von Anfang an widersprachen die Behörden allen Vermutungen, es könnte sich um einen Terrorakt gehandelt haben. Staatspräsident Abdel Fattah al-Sisi bezeichnet die Behauptung des IS-Ablegers, für das Unglück verantwortlich zu sein, als Propaganda. Der Sinai sei unter „voller Kontrolle“.

Das sehen die Behörden vieler Länder wie Großbritannien und Irland nach jüngsten Erkenntnissen allerdings anders. Mehrere internationale Linien setzen ihren Flugverkehr in den Badeort Scharm el Scheich aus, darunter auch die Lufthansa mit zwei Töchtern.

Schon seit Monaten verüben Extremisten immer wieder Anschläge in Ägypten. Doch die Regierung in Kairo will den Eindruck vermeiden, dass das Land ein gefährliches Ziel ist. Sicherheit ist nicht nur wichtig für die Ägypter, sondern auch für eine der Hauptdevisenquellen des Landes: den Tourismus. Er macht rund 11 Prozent des ägyptischen Bruttoinlandsprodukts aus.

Im Süden der Sinai-Halbinsel war es seit 2006 zu keinen größeren Gewalttaten gekommen. „Scharm“ galt als einer der wenigen sicheren Häfen in Ägypten. Die möglichen Folgen des Absturzes für den arg gebeutelten Tourismus könnten verheerend sein. Schon in den vergangenen Jahren hatte das Tourismusgeschäft am Nil unter den Folgen des Aufstands gegen den einstigen Herrscher Husni Mubarak und der unruhigen Jahre danach gelitten.

Unter den Wartenden im Terminal 3 des Kairoer Flughafens sind auch zwei deutsche Rucksacktouristen. Markus Hargasser und Bernhard Eisner wollen von Sharm el Scheich ins Tauchparadies nach Dahab. Angst? Haben sie nach eigenen Worten nicht, auch wenn sie jetzt in ein anderes Flugzeug steigen müssen: „Lieber finden sie den Fehler jetzt als dann, wenn wir in der Luft sind“, sagt Hargasser trocken.