Brüssel

Griechenland darf keine Zeit verlieren

Die Uhr tickt – aber noch ist der Zeitplan der Verhandlungen der Griechen mit den Geldgebern nicht in Gefahr. Es läuft nach Plan.
Die Uhr tickt – aber noch ist der Zeitplan der Verhandlungen der Griechen mit den Geldgebern nicht in Gefahr. Es läuft nach Plan. Foto: Fotolia

Schon vor der geplanten Abstimmung des griechischen Parlaments in der Nacht zum Donnerstag war die EU-Führung in Brüssel verstimmt. Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte kurzfristig wichtige Entscheidungen abgesetzt.

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Von unserem Brüsseler Korrespondenten Detlef Drewes

Riskierte er damit den Fortgang der Rettungsbemühungen – unabhängig vom Ausgang der Parlamentssitzung? Wir erklären, ob die Vereinbarung mit den Geldgebern nunmehr auf dem Spiel steht und wie es im Ringen weitergeht.

Durfte Tsipras zwei wichtige Themen verschieben?

Es geht um die Steuerrabatte für Bauern auf Agrardiesel, die gestrichen werden sollen. Zum anderen wollte der Premier ursprünglich erste Eingriffe in das Rentensystem beschließen lassen – beispielsweise um die umstrittenen Zusatzversorgungen zu kippen. Beide Themen gehören zwar zum Katalog der sogenannten prior actions (Sofortmaßnahmen), den die griechische Regierung bis zum Herbst umsetzen muss. Sowohl die Geldgeber als auch die Athener Regierung betonten aber übereinstimmend, dass eine Verschiebung nicht zu beanstanden sei, weil die Fragen nun anschließend sofort aufgegriffen werden können.

Muss man denn nun damit rechnen, dass die griechische Regierung sich immer neue Tricks einfallen lässt, um den verabredeten Auflagen zu entgehen?

Bis zum Beginn der geplanten Abstimmung lag Tsipras genau auf der Linie, die mit den Geldgebern und der Euro-Gruppe abgesprochen worden war. Einiges ist schon geschafft. So wurden die Mehrwertsteuer erhöht, die Regeln des Fiskalpaktes umgesetzt und erste Maßnahmen einer Rentenreform in Kraft gesetzt.

Enthält die Vereinbarung zwischen Athen und den Euro-Partnern Sanktionen für den Fall, dass Griechenland mit den Reformen in Verzug gerät?

Nein, Sanktionen wurden nicht vereinbart, weil das, was im Falle eines Abweichens von den Vereinbarungen passieren würde, viel härter wäre. Der Vizepräsident des Europäischen Parlamentes, Alexander Graf Lambsdorff (FDP), hat das am Mittwoch noch einmal unmissverständlich deutlich gemacht: „Es kann kein Hilfsprogramm geben, wenn die griechische Regierung von ihren Zusagen abrückt. Dann muss die EU die Gespräche sofort beenden.“

Wird die Europäische Union denn auch im Fall des Falles wirklich so konsequent sein?

Davon sollten alle Seiten ausgehen. Die Entschlossenheit, am Ende auch einen Grexit in Kauf zu nehmen, wenn Athen jetzt nicht spurt, war noch nie so groß wie beim Gipfeltreffen der Euro-Staats- und-Regierungschefs vor knapp zwei Wochen.

Was passiert nun mit den beiden verschobenen Themen?

Tsipras hat zugesagt, die Frage der Rabatte auf Agrardiesel bereits im August und die Probleme bei der Altersversorgung im Rahmen einer großen Rentenreform im Oktober zu lösen. Damit befindet er sich wieder im Fahrplan.

Was muss Tsipras als Nächstes erledigen?

Die Regierung muss verkaufsoffene Sonntage einführen und die Ladenschlusszeiten freigeben. Stark reglementierte Berufsbereiche sollen für den Wettbewerb geöffnet werden – dazu zählen Bäcker, Apotheken und der Milchmarkt. Die Privatisierung des Stromnetzbetreibers Admie hat schnell zu geschehen, weitere Privatisierungen müssen in Gang gebracht werden. Das Ziel liegt bei 50 Milliarden Euro Mehreinnahmen. Für alle weiteren Reformen ist ein Fahrplan für die nächsten drei Jahre vorzulegen.

Wie könnte es nach der Abstimmung konkret weitergehen?

Sollte die Mehrheit der griechischen Parlamentarier den Kurs ihres Premiers unterstützt haben, kann die Euro-Gruppe – zusammen mit Vertretern der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie des Internationalen Währungsfonds (IWF) – die Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket mit einem Umfang von 82 bis 86 Milliarden Euro beginnen. Diese Gespräche würden im Idealfall bis Ende August abgeschlossen sein. Nach einer Einigung müssen das Europäische Parlament sowie die nationalen Abgeordnetenkammern den Vertrag ebenso ratifizieren wie die Staats- und Regierungschefs. Erst dann kann das neue Rettungspaket in Kraft treten. Das wird nicht vor Ende September oder Anfang Oktober der Fall sein.

Und dann fließen 82 oder 86 Milliarden Euro?

Nein. Die bisherige Praxis hat sich aus Brüsseler Sicht bewährt. Es wird also Raten geben, die zu bestimmten Zeitpunkten fällig werden. Um diese Teilbeträge ausgezahlt zu bekommen, muss Griechenland seine Reformen vorantreiben. Eine Troika aus Experten der EU-Kommission, der EZB und des IWF kontrolliert, ob das Land im Plan ist. Deren Gutachten wird den Finanzministern vorgelegt. Sollten die Bedingungen erfüllt sein, geben sie das Geld frei.