Gericht enttäuscht die Lehman-Anleger

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Karlsruhe. Der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof, Ulrich Wiechers, betonte es mehrmals: Das Urteil zu Ersatzansprüchen von Lehman-Anlegern betrifft zunächst nur die beiden entschiedenen Fälle. Doch haben die Hoffnungen anderer Käufer der Papiere, ihr Geld wiederzubekommen, mit der Entscheidung einen Dämpfer bekommen.

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Karlsruhe – Der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof (BGH), Ulrich Wiechers, betonte es mehrmals: Das BGH-Urteil zu Ersatzansprüchen von Lehman-Anlegern betrifft zunächst nur die beiden entschiedenen Fälle. „Die Dinge können sich in anderen Fällen anders darstellen.“ Dennoch haben die Hoffnungen anderer Käufer der Papiere, auf juristischem Wege ihr Geld wiederzubekommen, mit der Entscheidung einen deutlichen Dämpfer bekommen.

Nach Schätzungen von Verbraucherschützern hatten Banken und Sparkassen rund 40 000 bis 50 000 Kunden sogenannte Zertifikate der US-Bank verkauft – zuweilen riskante Wetten auf die Entwicklung bestimmter Aktienpakete. Als Lehman Brothers 2008 Insolvenz anmeldete, waren die Papiere so gut wie wertlos. Das deutsche System der Einlagensicherung, das beispielsweise Guthaben auf Sparkonten sichert, gilt für diese Zertifikate nicht – und so standen die Anleger, die sich mit teils gewaltigen Bonusaussichten und Gewinnerwartungen hatten locken lassen, mit leeren Händen da.

Viele wählten deshalb einen anderen Weg: Sie verklagten die Bank oder Sparkasse, die ihnen die Papiere verkauft hatte. Der Vorwurf: Die Bank habe ihre Beratungs- und Aufklärungspflichten verletzt. Deshalb müsse sie das Geschäft rückgängig machen.

Die Hürden hierfür liegen jedoch nach dem Urteil des BGH ziemlich hoch. Im Grunde hatte der Vorsitzende Richter nur eine gute Nachricht für Anleger, und die war nicht mal neu: Er bestätigte, dass die Banken sehr wohl Pflichten bei der Beratung ihrer Kunden haben. „Der Beratungsvertrag ist keine Erfindung der Rechtsprechung. Vielmehr werben die Banken selbst damit, dass sie ihre Kunden beraten“, sagte Wiechers.

Im Rahmen der Beratung muss die Bank nach seinen Worten jedoch zunächst nur auf das allgemeine Risiko hinweisen, dass bei den Produkten ein Totalverlust drohen kann: „Wenn ich jemandem Geld leihe – und darum geht es bei Anleihen – und derjenige wird insolvent, dann bekomme ich das Geld nicht zurück“, sagte Wiechers. Und so hatte sich die beklagte Sparkasse auch verhalten.

Anders verhält es sich hingegen mit dem „konkreten Emittentenrisiko“ – also hier der Gefahr, dass Lehman Brothers pleitegehen könnte. Darauf müsse der Verkäufer nur hinweisen, wenn es einen besonderen Anlass gibt. Hier urteilte der BGH: Zum Zeitpunkt des Verkaufs in den Jahren 2006 und 2007 sei es für die Sparkasse nicht erkennbar gewesen, dass Lehman einige Monate später bankrott sein könnte. Dies dürfte für die zahlreichen Parallelfälle – allein beim BGH sind noch rund 40 weitere Verfahren anhängig – genauso gelten.

Für Banken von großer Bedeutung – auch über die Lehman-Verfahren hinaus – dürfte ein weiterer Punkt sein: Nach dem Urteil des BGH sind sie nicht verpflichtet, den Anlegern ihre Gewinnmarge mitzuteilen. Auch müssen sie Kunden nicht darüber aufklären, wenn es sich um ein sogenanntes Eigengeschäft handelt – sie also nicht für den Kunden Wertpapiere kaufen, sondern ihm Papiere aus eigenem Besitz verkaufen. Auch müssen die Banken nicht darauf hinweisen, wenn sie selbst beim Einkauf einen Rabatt bekommen, den Kunden aber den vollen Preis berechnen.

Letztlich bleibt für Lehman-Anleger deshalb wohl nur eine Hoffnung: Sie müssten darlegen, dass sie die verkauften Produkte nicht verstanden haben und dass ihre Bank im konkreten Fall die Sache nicht richtig erklärt hat. Jochen Neumeyer