Arbeitnehmerflügel der Union bereitet Antrag für Bundesparteitag vor – Mächtiger Gegenwind ist sicher

Bricht die CDU mit weiteren alten Gewissheiten? Nach dem vorzeitigen Ausstieg aus der Atomenergie und dem Vorstoß von Bildungsministerin Annette Schavan zur Abschaffung der Hauptschule wird in Teilen der Union jetzt auch über flächendeckende Lohnuntergrenzen diskutiert.

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Bricht die CDU mit weiteren alten Gewissheiten? Nach dem vorzeitigen Ausstieg aus der Atomenergie und dem Vorstoß von Bildungsministerin Annette Schavan zur Abschaffung der Hauptschule wird in Teilen der Union jetzt auch über flächendeckende Lohnuntergrenzen diskutiert.

Im Sozialflügel der Partei, der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), wird zurzeit ein Leitantrag für den Bundesparteitag im Herbst vorbereitet. Danach soll sich die „tariforientierte Lohnuntergrenze“ am bereits geltenden Tarif für Zeitarbeiter orientieren. Das Wort „Mindestlohn“ meiden die Unionspolitiker. Aber: „Von Unternehmen einseitig festgelegte Löhne, die wir zum Beispiel im Dienstleistungsbereich immer mehr haben, weil wir dort keine Tarifbindung mehr haben, sind nicht in Ordnung“, sagt CDA-Bundesvorsitzender Karl-Josef Laumann. Nun will er die Basis mit der CDA-Variante eines flächendeckenden Mindestlohns konfrontieren. In der Leiharbeit beträgt der Mindestlohn 7,79 Euro im Westen und 6,89 Euro im Osten.

Die SPD fordert seit Langem einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro. Davon grenzt sich der CDA jedoch ab: Der Lohn soll nicht „willkürlich vom Staat“ festgelegt werden, sondern sich nach wie vor an zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ausgehandelten Tarifen orientieren.

In Rheinland-Pfalz ist die Diskussion über einen „Mindestlohn“ in der Union bereits in vollem Gange – ausgelöst durch einen Vorstoß des CDA-Kreisverbandes Trier-Saarburg. Seinem Antrag zufolge soll die CDU in Bund und Land aufgefordert werden, die Initiative für einen bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn zu ergreifen. „Jeder muss von einer Vollzeitbeschäftigung leben können, ohne ergänzende Unterstützung“, heißt es im Antrag der Trierer. Dazu reiche ein Stundenlohn von 7,50 Euro beziehungsweise ein Monatsverdienst von 1300 Euro nicht aus. Durch branchenspezifische Tarifverträge, wie sie etwa im Baugewerbe oder im Pflegedienst bestehen, würden nicht alle Arbeitnehmer geschützt. „Immer weniger Branchen sind durch einen Flächentarifvertrag abgedeckt“, kritisiert der Trierer CDA und fordert eine „gesetzliche Lohnuntergrenze von 8,50 Euro“. Seit dem vergangenen Jahrzehnt sähen „verschiedene Arbeitnehmer ihr Heil in einer Entlohnung außerhalb von Tarifbindungen, um damit nach Gutsherrenart heuern und feuern zu können“, kritisieren die Trierer. Die Initiative aus Rheinland-Pfalz trifft bei CDA-Chef Laumann auf offene Ohren. Er freue sich, dass debattiert werde „und die Menschen in der CDU dafür offen sind“, heißt es.

Auch Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat laut Laumann schon Gesprächsbereitschaft signalisiert. Und die neue saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) spricht sich dafür aus, dass das Thema beim Parteitag „intensiv diskutiert wird“. Sie macht sich allerdings bisher vor allem für eine Ausweitung der Branchentarife stark.

Konsens ist der CDA-Vorschlag in der Union deshalb noch lange nicht. Der Koblenzer Bundestagsabgeordnete Michael Fuchs, Unionsfraktionsvize und Vorsitzender des mächtigen Parlamentskreises Mittelstand in der CDU-Fraktion, hält „nichts davon“, jetzt flächendeckende Lohnuntergrenzen einzuführen. „Wir haben eine funktionierende Tarifautonomie. Das sollten wir doch den Tarifpartnern überlassen“, sagte er. Die CDU bräuchte „keine neue Diskussion“ über dieses Thema. „Ich halte das für kontraproduktiv.“ Der derzeitige Wirtschafts-Boom führe von ganz allein dazu, dass Unternehmen „permanent“ Löhne erhöhen müssten, weil sie sich um ihre qualifizierten Arbeitnehmer bemühen müssten. Fuchs schätzt den Anteil derer, die Vollzeit arbeiten gehen, von ihrem Lohn aber nicht leben können und deshalb aufstocken müssen, auf ungefähr 80 000 Arbeitnehmer. „Das sind 0,3 Prozent der Beschäftigten.“ Er ist sicher: „Der CDA-Antrag wird sich beim Bundesparteitag nicht durchsetzen.“ Auch beim Koalitionspartner FDP dürfte der CDA-Vorschlag auf wenig Begeisterung stoßen. Die Liberalen sträuben sich gegen jede Art von gesetzlichen Mindestlöhnen. Tarifpolitik ist aus ihrer Sicht ausschließlich Sache der Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Vertreter der Wirtschaft in Rheinland-Pfalz bezeichneten Mindestlöhne als „beschäftigungsschädlich“.

CDU-Präsidiumsmitglied und Landesvorsitzende Julia Klöckner äußerte sich zurückhaltend: Menschen, die „ordentlich arbeiten“, müssten auch „ordentlich bezahlt werden“, so Klöckner, die allerdings offenließ, was ihrer Meinung nach unter „ordentlich“ zu verstehen ist. So viel nur: Der Weg von SPD und Linken ist aus ihrer Sicht „nicht der richtige“.

Ob die Parteivorsitzende Angela Merkel allerdings Lust verspürt, beim Bundesparteitag noch ein weiteres großes Fass aufzumachen? Erst gerade ist das wichtige Thema Euro-Rettung auf die Tagesordnung gehoben worden. Auch dazu besteht dringend Redebedarf in der Partei.

Rena Lehmann