Österreich

Advent in den Alpen: Wo dem Stress heimgeleuchtet wird

Kleine Erleuchtungen: Beim Rattenberger Advent sorgen Glühwein und Gedankenanstöße für innere Wärme.
Kleine Erleuchtungen: Beim Rattenberger Advent sorgen Glühwein und Gedankenanstöße für innere Wärme. Foto: Geza Bretz

Es hat wieder mal nicht geklappt mit der besinnlichen Adventszeit? Unter Christmassong-Gedudel und LED-Geblinke gingen mal wieder Glockenklang und Lichterglanz verschütt? Dann nehmen Sie sich demnächst doch mal eine vorweihnachtliche Auszeit! Die Vorweihnachtszeit am Tiroler Inn hat ihren ganz besonderen Reiz – und Skifahren kann man auch.

Lesezeit: 4 Minuten
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Von unserer Redakteurin Bettina Tollkamp-Bretz

Die Sehnsucht nach ein paar entspannten Tagen hat uns ins Tiroler Alpbachtal geführt: Nur circa 150 Kilometer hinter München beginnt hier das Winterwunderland mit all seinen Zutaten: Schnee, so zuckerweiß wie auf den Weihnachts-Postkarten, denn er ist ja im Dezember erst frisch gefallen, ruhige, entspannte Menschen – kein Wunder, die Touristenströme kommen erst rund um Silvester, und schließlich viele Traditionen, die in den Dörfern und kleinen Städten am Inn seit Jahrhunderten in der Adventszeit gepflegt werden.

Es ist ein sehr unterhaltsamer Mix aus christlichen und heidnischen Traditionen, in denen vor allem die bäuerlichen Überlieferungen einen großen Raum einnehmen. Und da ging es immer und vor allem darum, die kalte Jahreszeit ohne Schaden zu überstehen, den Winter in Schach zu halten, ihm die Zähne zu zeigen. Das tut man auch heute noch sehr eindrucksvoll – zur Gaudi von Einheimischen und Besuchern gleichermaßen.

Wer einmal die Perchtenläufe erlebt hat, die im alpenländischen Raum durch viele Orte ziehen, dem klingen noch lange die Ohren und vibriert der Körper: In den „rauhen Nächten„ um den Nikolaustag am 6. Dezember tauchen die lärmenden Schreckensgestalten in großen Gruppen auf und verbreiten einen urtümlichen Zauber, den man vom Alpbachtal aus am besten in und um den Ort Breitenbach erlebt.

Von weitem hört man die wilden Gesellen näher kommen: Schwarz-bemalte Gesichter unter erschreckenden Masken glänzen im Schein der Fackeln, laut rascheln die zotteligen Gewänder, die mit trockenen Maiskolbenblättern benäht sind, und die Trommeln aus Blechwannen, auf die mit dicken Holzscheiten eingeschlagen wird, geben den Takt vor. Vorneweg springt ein hexenhaftes Wesen, rollt sich über den Boden und schlägt der Gruppe den Weg frei – meistens bis zum nächsten Wirt, der für seine Gastlichkeit bekannt ist.

Höllisches Theater: Die Perchtenläufer wollen dem Winter so richtig die Zähne zeigen.
Höllisches Theater: Die Perchtenläufer wollen dem Winter so richtig die Zähne zeigen.
Foto: Alpbachtal Seenland Tourismus

Dort, zum Höhepunkt, werden die großen Kuhglocken in Aktion gesetzt: Mit schweren Lederriemen tragen sie die Perchten um den Leib und beginnen nun ein schaurig-schönes, rhythmisches Geläut, minutenlang geht das höllische Lärmen – und welche Gruppe am längsten kann, den Winter am heftigsten auszutreiben versucht, bekommt den meisten Jubel.

Wir jubeln mit und genehmigen uns den ersten einer ganzen Reihe von Glühweinen an diesem Abend. Natürlich inmitten der nun gar nicht mehr so schauerlichen Gestalten – ohne Maske und Gewand sehen die jungen Männer in ihren Hosenträgern und T-Shirts schon fast wieder wie die Skilehrer aus, als die sie in der kommenden Saison ihr Geld verdienen werden.

Einer, der dafür sorgt, dass die Tradition der Perchten im Inntal weiter lebendig bleibt, ist Erich Ruprechter, bei dem ein Besuch lohnt. Fast alle neuen Masken, die da unterwegs sind, kommen aus seiner Werkstatt in Glatzham, an viele alte hat er Hand angelegt, repariert und ersetzt. Denn so eine Maske ist häufig über Jahrhunderte in der Familie, wird vererbt an die Söhne, die das richtige Alter für den wilden Mummenschanz haben.

Ruprechter ist Schnitzer-Meister (“Der Vater meinte damals: Lern schnitzen, dann kannst du weiter auf dem Hof mitarbeiten„), erfolgreicher Bildhauer und mit der Seele Bauer. Damit steht er für viele Handwerker in dieser Region: Sie betreiben auf ihren alten Erbhöfen gerne weiter Landwirtschaft, verdienen daneben aber ihr Geld mit einem erlernten Beruf und natürlich dem Tourismus.

Sie sind immer gerne bereit, einen Blick in ihre Werkstätten zu erlauben: Da gibt es den Federkielsticker und den Edelbrand-Hersteller, den Ein-Mann-Bierbrauer, die Prügeltorten-Bäckerei, die Filzpantoffel-Herstellerin, die Spezial-Skischuh-Macher und und und.

Diese Mixtur ist so reizvoll für Leute wie uns, die auch, aber eben nicht nur über die Pisten sausen wollen. Obwohl man das von Alpbach aus, immerhin wegen seiner einheitlichen Holz/Stein-Bauweise als “Österreichs schönstes Dorf„ anerkannt, wunderbar tun kann. Die Pisten sind tauglich für Anfänger bis Cracks. Früh in der Saison schon sind die Lifte in Betrieb, die das große Gebiet “Ski Juwel Alpbachtal Wildschönau„ erschließen, offizielles Opening ist Mitte Dezember. Das geht mit viel Party-TamTam ab, Live-Musik und DJs – richtige Pistengaudi eben.

Kontrastprogramm dazu der “Rattenberger Advent„: Rattenberg am Inn ist eine Stadt mit langer Historie und kurzer Einwohnerliste. Nur rund 400 Menschen leben in der offiziell kleinsten Stadt Österreichs, doch in der Vorweihnachtszeit setzen sie eine großartige Idee um. Dabei verlassen sie sich ganz auf ihre traditionellen Fertigkeiten, die wunderbare Kulisse mit ihren engen Gassen, den bunten, hohen Fassaden, Türmen, der mittelalterlichen Burg – und auf die mystische Kraft des Feuers.

Überall leuchten Kerzen und Fackeln, in Eisenkörben brennen Holzscheite und wärmen die Besucher, nur die einheimischen Handwerker – vor allem die Glaskünstler, für die Rattenberg berühmt ist – haben ihre Geschäfte geöffnet und zu essen gibt es Tiroler Kost nach Hausrezepten. Selbst der “Rattenberger Glühwein„ ist ein Geheimnis – leider, denn er schmeckt! Irgendetwas mit Holunder und “Südtiroler Vernascht" soll darin sein ...

Keine klassische Weihnachtsdekoration ist zu sehen, nichts blinkt und glitzert – eine Touristin mit Weihnachtsmann-Mütze zieht sie verstohlen in der ersten Seitengasse vom Kopf. Nichts ist hier laut, auch wenn an vielen Orten musiziert wird, rezitiert, kleine Theater-Szenen gespielt.

Und hier war sie erfolgreich, die Suche nach der ganz besonderen Besinnlichkeit im Advent, fast überraschend, wie schlicht und eindringlich. Irgendwo gab es da jenen Moment zwischen hohen Häusern in einer alten Stadt, in einem Labyrinth aus Lichtern, und eine ruhige Stimme stellte schlichte Fragen, über die sich nachzudenken lohnt – nicht nur, aber ganz besonders in der Weihnachtszeit.