RZ-KOMMENTAR: Lindners Rücktritt heizt die Debatte über Rösler an

Die Boygroup der FDP ist gescheitert: Sie kann der serienweise aus den Landtagen geflogenen Partei einfach keinen neuen Schwung geben und inhaltlich nicht punkten. Diese Einsicht mag Generalsekretär Christian Lindner geleitet haben, Knall auf Fall seinen Hut zu nehmen – noch vor dem Ende des Mitgliederentscheids.

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Die Boygroup der FDP ist gescheitert: Sie kann der serienweise aus den Landtagen geflogenen Partei einfach keinen neuen Schwung geben und inhaltlich nicht punkten. Diese Einsicht mag Generalsekretär Christian Lindner geleitet haben, Knall auf Fall seinen Hut zu nehmen – noch vor dem Ende des Mitgliederentscheids.

Da der sonst so eloquent auftretende 32-Jährige so ungewohnt einsilbig auftrat, gibt er das Signal für Interpretationen seiner Botschaft. Zielt er mit der Perspektive einer neuen Dynamik direkt auf den Bundesvorsitzenden Philipp Rösler, dessen Stuhl ohnehin wackelt? Viele Liberale – nicht nur Urgesteine wie Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum und der frühere Mainzer Wirtschaftsminister Hans-Artur Bauckhage – fragen sich, ob der Bundesvorsitzende an Dreikönig überhaupt noch Rösler heißt und wie lange er noch einsam durchhalten kann.

Da Rösler nicht, wie vollmundig im Mai angekündigt, „liefern“ kann, steigt der Druck auf ihn seit Wochen. Seit er sich aber bereits mit Lindner als Sieger des Mitgliederentscheids ausgerufen hat, erboste er die Basis noch mehr. Denn diese Stillosigkeit goutiert kein Liberaler, egal, welchen Euro-Kurs er selbst auch verfolgt.

Das Scheitern des „Generals“ zeigt der Parteibasis bitter: Die Intrige frisst ihre Kinder, weil die Boygroup mit Rösler, Lindner und Gesundheitsminister Daniel Bahr ihr Handwerk nicht versteht und ihren Ziehvater Guido Westerwelle geschont hat. Dies stärkt die Position von Profi Rainer Brüderle, den das Trio eigentlich aus dem Rennen werfen und an Dreikönig nicht reden lassen wollte. Die Bilanz des jungen Spitzenteams ist blamabel: Die Umfragewerte sind im freien Fall. Das Ansehen von Bundeswirtschaftsminister Rösler ist unter Repräsentanten der Wirtschaftselite miserabel. Rösler und Lindner haben es zudem nicht verstanden, mit dem offenbar auch technisch schlecht organisierten Mitgliederentscheid in die Offensive zu gehen und an Profil zu gewinnen. Stattdessen wurde getrickst und Euro-Kritiker Frank Schäffler nicht ernst genommen, während auch in der Bevölkerung die Angst um den Euro immer mehr wächst und in der schweren Krise kluge Antworten gesucht werden.

Eigentlich kann die einst stolze Partei, die in Umfragen noch nur marginale Werte erzielt, alles andere als eine neue Personaldebatte brauchen. Aber Alt-Liberale wie Baum und Bauckhage sehen die FDP in Lebensgefahr und fordern zwei Jahre vor der Bundestagswahl den radikalen Schnitt. In jedem Falle heizt Lindners Rücktritt mit ganz neuer Dynamik die Debatte über Rösler weiter an. ExBundeswirtschaftsminister und Fraktionschef Rainer Brüderle drängelt sicher nicht, aber er dürfte sich auch nicht verweigern. Der Typus der alten Garde beweist jedenfalls: Professionelle Kompetenz ist überzeugender als jedes smarte Auftreten in Talkshows. Denn mit seiner Bodenständigkeit repräsentiert und personifiziert er die klassische FDP mehr als die Lindners, Röslers und Bahrs allein.

Die Partei muss nun gut überlegen, mit welcher Spitze sie in die nächste Wahl zieht, wie sie sich mit Inhalten als regierungsfähig empfehlen kann und sich nicht nur dauernd mit sich selbst beschäftigen muss. Viele Schüsse hat sie jedenfalls nicht mehr frei, um sich aus dem rasanten Abwärtssog zu befreien.

E-Mail: ursula.samary@rhein-zeitung.net