RZ-KOMMENTAR: Die 50 Helden von Fukushima

Von den ersten Tagen nach der Tschernobyl-Explosion am 26. April 1986 gibt es Filmaufnahmen, auf denen junge Männer in notdürftiger Schutzkleidung über das Gelände des völlig zerstörten Atomkraftwerks laufen. Mit einfachen Spaten schütten sie im Eiltempo Sand auf die Unglücksstelle.

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Von den ersten Tagen nach der Tschernobyl-Explosion am 26. April 1986 gibt es Filmaufnahmen, auf denen junge Männer in notdürftiger Schutzkleidung über das Gelände des völlig zerstörten Atomkraftwerks laufen. Mit einfachen Spaten schütten sie im Eiltempo Sand auf die Unglücksstelle.

Es sind schmerzende Bilder, bis heute. Bilder von Todgeweihten. Tausende Soldaten wurden in ein Gebiet geschickt, aus dem Tag für Tag Tausende Menschen weit weg in Sicherheit gebracht wurden. Ob sie selbst um die Gefahr für ihre Gesundheit und ihr Leben wussten?

Vielleicht hatten manche ein ungutes Gefühl, doch die ohnehin mehr als zögerliche Informationspolitik der damaligen Sowjetunion legt eher nahe, dass viele schlicht ahnungslos waren. Die Regierung hatte entschieden, das Leben Einzelner für das Leben vieler zu opfern. Die Aufräumarbeiter von Tschernobyl schaufelten sich in der Strahlung zu Tode oder erkrankten später schwer. Sie hatten keine Wahl, die Diktatur hatte über sie hinweg beschlossen.

Die 50 Techniker und Ingenieure, die jetzt im AKW Fukushima das Schlimmste zu verhindern suchen, wissen um das Risiko für ihr eigenes Leben. Und haben doch auch keine andere Wahl. Niemand kennt das Werk so gut wie sie. Wer anders als sie könnte jetzt noch retten, was zu retten ist?

Die Hoffnungen von Millionen Japanern und der Welt lasten auf ihren Schultern. Wie die Arbeiter es dort – in einer von Menschen verlassenen Sperrzone, in völliger Dunkelheit – aushalten, vermag sich niemand vorzustellen. Eine von Menschen erschaffene Technologie verlangt ihnen Unmenschliches ab. Es werden Familienväter darunter sein, die die Zukunft vieler Millionen anderer über das eigene Glück stellen müssen. Deren technisches Wissen und Erfahrung jetzt mehr zählen als die eigene Zukunft. Sie verdienen unser ganzes Mitgefühl.

Es sind 50 Menschen, ohne die ein Land die letzte Kontrolle über das Geschehen im AKW längst verloren hätte. Der Begriff des Helden ist in der Vergangenheit zu oft missbraucht worden, als dass er heute noch mit echter Anerkennung ausgesprochen werden könnte. Die Arbeiter von Fukushima geben ihm in diesen Tagen seinen wahren Sinn zurück.

E-Mail: rena.lehmann@rhein-zeitung.net