Bremen

20 Jahre Welterbe

Bremer Rathaus und Roland: Von geheimer Bar bis Schatzkammer

Von dpa/tmn
20 Jahre Bremer Welterbe - Roland und Rathaus
PRODUKTION - Die Rolandstatue vor dem Rathaus. Das Bremer Rathaus und die Rolandstatue von Anfang des 15. Jahrhunderts sind seit 20 Jahren Unesco-Welterbe. Foto: Sina Schuldt/dpa

Chinesische Mauer, Akropolis – und das Rathaus und der Roland: Die beiden Wahrzeichen der Hansestadt reihen sich seit 20 Jahren in die Unesco-Welterbeliste. Ein besonderer Rundgang zum Jubiläum.

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Bremen (dpa/tmn). Für ein Foto mit den Bremer Stadtmusikanten drängeln sich Touristen aus aller Welt, dabei ist die eigentliche Attraktion im Hintergrund: Das Bremer Rathaus und die Rolandstatue von Anfang des 15. Jahrhunderts sind seit 20 Jahren Unesco-Welterbe. Zum Jubiläum ein Rundgang mit 15 Besonderheiten:

1. Das köstliche Fundament des Rathauses

Das Bremer Rathaus thront auf einem riesigen Weinkeller. In dem Gewölbe befindet sich das weltweit größte Sortiment ausschließlich deutscher Weine. «Hier ist Platz für 1,2 Millionen Liter Wein», sagt Ratskellermeister Frederik Janus. Zumindest theoretisch, heute lagern noch mehrere 100 000 Flaschen Wein im Ratskeller.

2. Ein unmoralisches Angebot

Die Güldenkammer des Bremer Rathauses
PRODUKTION – Die Güldenkammer des Bremer Rathauses mit vergoldeter Ledertapete stammt aus der Renaissance-Zeit, gestaltet 1905 vom Worpsweder Künstler Heinrich Vogeler.
Foto: Sina Schuldt/dpa

Im schummrigen Kerzenlicht ist der älteste deutsche Fasswein im Bremer Ratskeller aufgebahrt. Der «Rosewein» wurde 1653 in Rüdesheim am Rhein gekeltert. Und wie schmeckt der Tropfen heute? «Das weiß ich nicht, ich habe noch nicht probiert», sagt Janus. Als Ratskellermeister ist er der Einzige, der in den Genuss kommt. Ein Urlauber bot Bremen vor einigen Jahren 125 000 Euro für eine Flasche von dem Weißwein – ein verlockendes Angebot für die klamme Stadt, aber keine Chance.

3. Bremer Exklave an der Mosel

Ältester deutscher Fasswein im Bremer Ratskeller
PRODUKTION – Der älteste deutsche Fasswein lagert im Bremer Ratskeller. Der «Rosewein» stammt von 1653.
Foto: Sina Schuldt/dpa

Die steife Brise in der Hansestadt ist nicht gerade ideal für den Weinanbau, trotzdem bewirtschaftet der Ratskeller einen eigenen Weinberg. Das «Erdener Treppchen» liegt zugegebenermaßen 500 Kilometer südlich an der Mittelmosel in Rheinland-Pfalz. Dort wachsen die Trauben für den Bremer Senatswein, bei der Weinlese hilft traditionell ein Mitglied der Regierung mit.

4. Der Schlüssel zur Schatzkammer

Eingang zur Schatzkammer des Weinkellers
PRODUKTION – Dahinter sind die besonderen Tropfen: der Eingang zur Schatzkammer des Weinkellers im Bremer Rathaus.
Foto: Sina Schuldt/dpa

Nur der Regierungschef und der Ratskellermeister haben Zugang zur Schatzkammer. Der Schlüssel ist unscheinbar, ganz im Gegensatz zum Schatz: unzählige in Folie eingewickelte Flaschen Trockenbeerenauslese und Beerenauslese, sehr süße Weine aus verschrumpelten Rosinen. Wegen des hohen Zuckergehalts sind die Flaschen lange haltbar. «Diese Weine machen auch nach hundert Jahren noch Spaß», sagt Janus.

5. Ein teures Vergnügen

Rüdesheimer Apostelwein von 1727 im Bremer Rathaus
PRODUKTION – Die älteste frei verkäufliche Flasche Wein, der «Rüdesheimer Apostelwein» von 1727, lagert in der Schatzkammer des Weinkellers im Bremer Rathaus. Kostenpunkt: vierstellig.
Foto: Sina Schuldt/dpa

Gleich links in der Schatzkammer des Ratskellers lagert die älteste frei verkäufliche Flasche Wein: der «Rüdesheimer Apostelwein» von 1727. «Man trinkt davon nicht ein Glas zum Genießen oder gegen den Durst», erklärt Janus. Schon ein Schluck sei sehr intensiv, der Geschmack lege sich über die Zunge. «Das ist ein irres Erlebnis.» Die wenigen Flaschen verwaltet der Ratskellermeister selbst, eine koste 3000 Euro.

6. Die versteckte Turmbar

Kriegsschiffsmodelle im Bremer Rathaus
PRODUKTION – Modelle von Kriegsschiffen hängen in der Oberen Rathaushalle vom Bremer Rathaus.
Foto: Sina Schuldt/dpa

Der ehemalige Hausmeister hat in seiner Turmbar wohl eher Pils und Korn ausgeschenkt. Der kleine Turm gehörte zu seiner Wohnung im dritten Stock des Rathauses und ist noch immer eingerichtet wie ein Partykeller der 1970er Jahre: ein Holztresen mit mehreren Barhockern, die Wände tapeziert mit Segelschiffen und Stickern von Werder Bremen, der Boden klebrig vom Alkohol und in der Luft abgestandener Rauch. Seit dem Auszug des damaligen Hausmeisters vor 20 Jahren ist die Bar ungenutzt.

7. Flagge zeigen

Kurbel für Flaggen im Bremer Rathaus
PRODUKTION – Auf dem Dachboden des Bremer Rathauses werden die Masten, an denen die Flaggen vor dem Rathaus wehen, per Hand herausgekurbelt.
Foto: Sina Schuldt/dpa

Bis heute muss der Hausmeister morgens mit der Hand drei waagrechte Masten vom Dachboden herauskurbeln, an denen die Flaggen vor dem Rathaus wehen. «Der Wind weht oft so stark, dass der Hausmeister die Flaggen mehrmals am Tag wieder ein- und ausfahren muss», sagt Peter Lohmann von der Pressestelle des Bremer Senats. Wenn die drei Meter breiten und fünf Meter langen Flaggen nass geworden sind, werden die Tropfen in einer Wanne auf dem Dachboden aufgefangen.

8. Séparée mit Briefkasten

Flaggen im Bremer Rathaus
PRODUKTION – Flaggen hängen auf dem Dachboden des Bremer Rathauses.
Foto: Sina Schuldt/dpa

In einem Séparée des Ratskellers konnten Gäste einst direkt ihre Post abschicken. Auf dem Briefkasten aus Holz ist in verschnörkelter, goldfarbener Schrift zu lesen: «Leerung 3 mal täglich». «Im Lokal wurden früher Postkarten verkauft, die konnten dann gleich verschickt werden», berichtet Ratskellermeister Janus.

9. Goldig

Untere Rathaushalle im Bremer Rathaus
PRODUKTION – Die Untere Rathaushalle im Bremer Rathaus: Hier soll ein Besuchszentrum entstehen.
Foto: Sina Schuldt/dpa

In der Güldenkammer des Rathauses geraten die Geldsorgen Bremens in Vergessenheit. Es ist eines der wenigen noch erhaltenen Zimmer im reinen Jugendstil, die Wände schmückt eine vergoldete Ledertapete aus der Renaissance-Zeit. Das Dekor und die glänzende Innenausstattung hat der Worpsweder Künstler Heinrich Vogeler 1905 entworfen. In dem Prunkstück des Rathauses werden hohe Gäste empfangen.

10. Schiffsmodelle mit Kanonen

Briefkasten im Bremer Ratskeller
PRODUKTION – Ein alter Briefkasten in einem Séparée des Ratskellers: Hier konnte man lange Post aufgeben.
Foto: Sina Schuldt/dpa

Vier prächtige Schiffsmodelle hängen von der Decke der Obereren Rathaushalle. Zu Ehren besonderer Gäste wurden von den Kanonen der Schiffsmodelle Salut gefeuert. «Diese Kuriosität wurde im letzten Jahrhundert aus Sicherheitsgründen endgültig eingestellt», sagt Peter Lohmann.

11. Hanseatisches Understatement zwischen Klo und Küche

Versteckte Turmbar in Bremer Rathaus
PRODUKTION – In einem der Türme des Bremer Rathauses hat ein ehemaliger Hausmeister eine versteckte Turmbar eingerichtet.
Foto: Sina Schuldt/dpa

Am 2. Juli 2004 gab das Welterbekomitee in der chinesischen Stadt Suzhou bekannt, dass Bremen Welterbe wird. Die begehrte Unesco-Urkunde hängt seitdem an einer Wand im ersten Stock – zwischen den Eingängen zur Damentoilette und der Küche im Rathaus. «Bremische Hanseaten protzen nicht, man gibt sich bescheiden, Reichtümer und Besonderheiten werden eher nicht ins Schaufenster gestellt», meint Lohmann dazu.

12. Die Schwierigkeit mit dem Welterbe

Wein-Prunkfass im Bremer Ratskeller
PRODUKTION – Das Delfinfass, ein Prunkfass aus dem 18. Jahrhundert, steht im Restaurant des Ratskellers.
Foto: Sina Schuldt/dpa

Welterbe verpflichtet – auch zum Erhalt und zur Information über die Welterbestätte. Bremen tut sich damit schwer, auch nach 20 Jahren gibt es noch keine Ausstellung über das Rathaus und den steinernen Roland. 2026 soll es so weit sein, dann soll in der Unteren Rathaushalle ein Welterbe-Besucher- und Informationszentrum öffnen.

13. Papstkreuz im Hintern

Schlüssel zur Schatzkammer des Weinkellers im Bremer Rathaus
PRODUKTION – Nur wer ihn hat, kommt rein: der Schlüssel zur Schatzkammer des Weinkellers im Bremer Rathaus.
Foto: Sina Schuldt/dpa

An der Renaissance-Fassade des Rathauses sind kunstvolle Reliefs zu bewundern. Besonders spektakulär: eine kniende Figur mit einem Papstkreuz im nackten Hintern, auf ihr reitet eine ebenfalls nackte Frau mit Reichsapfel und Löwe. Die Szene spiele auf den Triumph der weltlichen Macht über die kirchliche Macht an, erklärt Birgitt Rambalski, Vorsitzende des Vereins zur Förderung des Welterbes Rathaus und Roland in Bremen.

14. Bremer Freiheitsstatue

Blick in den Weinkeller des Bremer Rathauses
PRODUKTION – Leere Fässer und Wein in Flaschen lagern im Weinkeller des Bremer Rathauses.
Foto: Sina Schuldt/dpa

Der Bremer Roland wacht seit 1404 über die Freiheit und Rechte Bremens. «Er ist die Freiheitsstatue Bremens», sagt Peter Lohmann. Mit einer Höhe von mehr als zehn Metern ist der Ritter auf dem Marktplatz die größte frei stehende Statue des deutschen Mittelalters – und noch dazu eines der bekanntesten Wahrzeichen der Stadt.

15. Ein missbrauchtes Versteck

Welterbe-Urkunde im Bremer Rathaus
PRODUKTION – Die Unesco-Urkunde hängt an einer Wand im ersten Stock des Bremer Rathauses – zwischen den Eingängen zur Damentoilette und der Küche.
Foto: Sina Schuldt/dpa

Nationalsozialisten sollen den Roland im Jahr 1938 als Versteck für Dokumente missbraucht haben. Sie sollen eine Kassette mit Lobpreisungen auf Adolf Hitler und die Ideologie eingemauert haben, berichtet Stadtforscher Andreas Calic. Handwerker hätten bei einer Restauration 1984 die Schatulle entdeckt, selbst eine Botschaft über die Millionen Todesopfer des Regimes geschrieben und alles wieder in einer Karstadt-Tüte im Roland versteckt. Vier Jahre später sei die Kassette offiziell geborgen worden, die Dokumente lägen mittlerweile im Staatsarchiv.

Rolandstatue
PRODUKTION – Die Rolandstatue auf dem Marktplatz: Sie und das Bremer Rathaus sind seit 20 Jahren Unesco-Welterbe.
Foto: Sina Schuldt/dpa

Rathausführungen: Sie finden mehrmals täglich statt und kosten ab 9 Euro pro Person. Anmeldungen sind vorab online unter «tourismus.bremen.de» möglich.

Peter Lohmann
PRODUKTION – Peter Lohmann ist Referatsleiter Öffentlichkeitsarbeit fürs Bremer Rathaus.
Foto: Sina Schuldt/dpa

Welterbe Bremen

Frederik Janus
PRODUKTION – Der Bremer Ratskellermeister Frederik Janus steht auf einer Geheimtreppe, über die er von seinem Büro aus direkt hinter dem Delfinfass ins Restaurant des Ratskellers gelangen kann.
Foto: Sina Schuldt/dpa

UNESCO-Welterbe Rathaus und Roland in Bremen

Gemälde im Bremer Rathaus
PRODUKTION – Im Rathaus hängt ein Gemälde des Worpsweder Malers Carl Vinnen mit einer kaum sichtbaren Notiz des Künstlers am Bildrand, mit der er sich an nachfolgende Generationen wendet: «Dieses Bild ist in Tempera, willst Du es ruinieren, empfiehlt es sich wohl, mit Öl zu restaurieren ...».
Foto: Sina Schuldt/dpa

Tourismuswebsite von Bremen

Das Bremer Rathaus
PRODUKTION – Das Bremer Rathaus steht im Zentrum der Hansestadt am Marktplatz.
Foto: Sina Schuldt/dpa

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